Das Traumtor (German Edition)
das, was ihr von ihm erhofft, nicht auch auf andere Weise bewerkstelligt werden kann. Denn stört ihr ihn ohne zwingenden Grund, kann es sein, daß man nie wieder von euch hört.“
Ehe Rowin antworten konnte, sagte ich: „Für das, was ich von Tustron zu erlangen suche, gibt es keine andere Lösung. Ich fürchte seinen Zorn nicht und bin bereit, mich ihm zu stellen. Also sag uns den Weg. Es soll dein Schaden nicht sein.“
Der Alte sah mich prüfend an. „Ihr seid eurer Sache sehr sicher“, sagte er langsam, mehr als Bestätigung für sich selbst. „Nun gut, dann hört mir zu: Etwa zwei Tagesritte von hier erhebt sich die Küste zu schroffen Felswänden, die steil ins Meer abfallen. Auf der höchsten Klippe steht ein wuchtiger Bau, ein viereckiger, gedrungener Turm. Dieser Turm steht dort seit Menschengedenken und niemand weiß, von wem und zu welchem Zweck er einst errichtet wurde. Selbst die ältesten Leute wissen nicht zu sagen, wann Tustron von ihm Besitz ergriffen hat, oder ob er nicht gar von Beginn an darin wohnt. Es gibt nur einen einzigen Zugang zum Turm, der jedoch nicht leicht zu finden ist, da er in einem Felsriß nach oben führt. Ihr werdet ihn suchen müssen, denn es ist viele Jahre her, seit ich ihm gegangen bin. Auch war mir die Erinnerung an diesen Weg nie sehr klar, da ich ihn mit Verzweiflung im Herzen betrat. Doch ich weiß noch, daß ihr nicht zu Pferd auf die Klippe gelangen könnt. Ihr müsst die Tiere unten zurücklassen. Allerdings könnt ihr den Turm schon von weitem sehen und werdet daher nicht fehlgehen. Ich wünsche euch viel Glück auf eurem Weg, und möge euer Wunsch Tustrons Gehör finden!“
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und humpelte schnell davon, noch ehe ihm Rowin das Goldstück hatte geben können, das er bereits für den Alten in der Hand gehalten hatte.
Rowin sah mich zweifelnd an. „Bist du sicher, Athama, daß du das Risiko eingehen willst, das der Alte uns eben nannte? Glaubst du wirklich, daß du nur dann wieder Ruhe findest, wenn du erfährst, ob es für dich einen Weg zurück in deine Welt gibt? Oder befürchtest du nur, meine Liebe zu dir könne einmal erkalten und du wärest dann nicht mehr in unserer Welt willkommen? Wenn das so ist, so kann ich dir nur schwören, daß ich dich lieben werde, solange ich lebe, was auch geschehen mag. Athama, ich bitte dich, begibt dich nicht in diese Gefahr, wenn es auch nur eine Möglichkeit für dich gibt, darauf zu verzichten.“ Er ergriff meine Hand und presste sie heftig. „Athama, ich habe Angst um dich!“
Ach, wie gern wäre ich noch in diesem Augenblick mit ihm nach Varnhag zurückgekehrt! Trotz meiner äußerlichen Sicherheit fühlte ich mich keineswegs wohl bei dem Gedanken, diesen seltsamen Mann aufzusuchen, der so gefährlich zu sein schien. Was war denn nun wirklich, wenn ihm mein Problem unwichtig erschien? Würde ich nicht auch Rowin in Gefahr bringen, wenn er mit mir ging? Ich beschloß, Rowin auf jeden Fall am Fuß der Klippe zurückzulassen. Geschah mir dann irgendetwas, so wäre mein Problem auch gelöst, aber zumindest Rowin konnte unversehrt nach Varnhag zurückkehren. Fände ich den Tod, so wäre er dadurch seiner schweren Entscheidung auch enthoben.
So legte ich beruhigend eine Hand auf seinen Arm und sagte: „ich habe nie an deiner Liebe gezweifelt, Rowin. Aber etwas in mir drängt mich dazu, den Magier aufzusuchen, denn ich fühle, daß er mein Problem auf jeden Fall lösen wird. Ich würde mir nie vergeben, wenn ich so kurz vor dem Ziel aufgeben würde. Bedenke doch, was wir alles auf uns nahmen, um hierher zu kommen! Sollen wir denn unser Leben riskiert haben, um nun unverrichteter Dinge nach Varnhag zurückzukehren? Rowin, bitte, ich muß diesen Weisen sehen!“
„Gut denn, es sei!“ seufzte er. „Aber ich werde dich nicht aus den Augen lassen.“
,Kommt Zeit, kommt Rat!‘ dachte ich. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihn jetzt schon zu sagen, daß ich auf jeden Fall allein zu Tustron gehen würde. Das hatte Zeit, bis wir unser Ziel erreicht haben würden.
So brachen wir am nächsten Morgen in aller Frühe auf. Der Sturm hatte sich zwar gelegt, aber der Himmel war immer noch grau verhangen und leichter Nieselregen machte unseren Ritt unbequem. Wir sprachen nicht viel und jeder von uns hing seinen eigenen, trüben Gedanken nach. Weiter von der Stadt entfernt wurde die Gegend immer wilder und unwegsamer es gab keine Straße und wir kamen nur mühsam vorwärts. Wir hielten uns dicht
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