Das Traumtor (German Edition)
zu verlassen hätte, sobald sie an den Hof nach Varnhag käme. Sie war ihres Vaters Augapfel und dieser hatte erklärt, er werde nicht dulden, daß die Ehre seiner Tochter befleckt würde – koste es, was es wolle! Selbst wenn ich also offiziell von Valamin fortginge und dann heimlich zurückkehrte – es gab über alle Spione, die es Ilin bald hinterbringen würden. Wie Targil sagte, war Ilin eine stolze, verwöhnte Frau, die bei ihrem Vater stets ihren Willen durchsetzte und der dazu jedes Mittel recht war. Sie würde nicht zögern, einen Krieg anzuzetteln, um Rowin für sich allein zu haben. Rowin wußte das sehr gut! Und dann – würde ich es überhaupt ertragen, Rowin stets nur für kurze, gestohlene Stunden bei mir zu haben? Selbst die Sicherheit, daß er Ilin nicht liebte – würde das meine Eifersucht dämpfen? Wie Targil sagte, war Ilin sehr schön und dazu jünger als ich. Konnte ein Mann nicht in den Armen einer schönen Frau leicht vergessen – und sei es auch nur für diesen kurzen Rausch? Und Rowin? Würde er nicht Schuld empfinden, vielleicht sogar Ilin gegenüber? Und dann die ständige Furcht, daß unser Geheimnis herauskäme und es dann wohl möglich doch Krieg gäbe! Nein, wir würden beide mit diesem Bewußtsein nicht leben können!
In der Verzweiflung greift die Hoffnung nach dem Unwahrscheinlichen. Ich hatte sogar daran gedacht, Rowin zu bitten, auf den Thron zu verzichten und Deina zur Königin zu machen. Doch welch ein törichter Gedanke! Ilin wollte Rowin und sie wollte Königin sein, die einzige Möglichkeit für sie, da ihr Bruder den Thron von Muran erben würde. So wäre Rowins Abdankung für sie erst recht ein Grund gewesen, Valamin mit Krieg zu überziehen. Nein, auch das war keine Lösung, zumal ich genau wußte, wie schwer Rowin dieser Schritt gefallen wäre. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, Rowin mit in meine Welt zu nehmen. Aber wahrscheinlich würde er dort nur unglücklich werden. Zwischen unseren Welten lag ein Abgrund von über tausend Jahren dem Entwicklungsstand nach. Hatte ich es schon anfangs schwer gehabt, mich diesen vergleichsweise primitiven Lebensbedingungen anzupassen, um wie viel schwerer mußte es umgekehrt werden! Rowins Wissensstand in moderner Technik und Lebensweise war der eines Kindes. Wie sollte er sich da zurechtfinden? Gut, Rowin war hoch intelligent und würde schnell lernen. Aber wie sollte man sein Unwissen in unserer Welt erklären, in der Mythen und Sagen so gut wie keinen Stellenwert hatten. Und was sollte er tun? Der Bedarf an Königen und Schwertkämpfern war bei uns nun mal nicht sehr hoch. Wie würde er darunter leiden, in allen Dingen der Letzte zu sein, wo er hier stets der Erste war. Nein, so gern ich ihn mit mir genommen hätte, für ihn wäre es nur Quälerei gewesen und er wäre trotz unserer Liebe in kurzer Zeit totunglücklich geworden. Hatte ich nicht selbst gespürt, wie das Heimweh oft an mir genagt hatte, wenn ich auch jetzt dieses Land als meine Heimat betrachtete? Um wie viel mehr würde er leiden, der so tief mit diesem Land verwurzelt war?
Wieder einmal drehten sich meine Gedanken im Kreis, in diesem Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gab. Und selbst, wenn ich Ilin heimlich aus dem Weg hätte räumen können, sobald ich nach Varnhag zurückkehrte, ja, vielleicht schon sofort, würde der Verdacht auf Rowin oder mich fallen, denn viele Leute machten sich Gedanken über die seltsame Fürstin, die so vieles wußte, von dem niemand je gehört hatte. Schon in Torlond hatte es Getuschel gegeben, in denen das Wort Hexe vorkam, dem Rowin jedoch hart entgegengewirkt hatte.
Wie auch immer, es gab keinen anderen Ausweg. Ich mußte den bitteren Weg zu Ende gehen!
Entschlossen drückte ich Rowins Schultern hoch. „Laß uns etwas schlafen. Wir haben beide viel durchgemacht, und besonders du brauchst noch Ruhe.“
Rowin stand auf und zog mich lächelnd mit sich hoch. „Ich höre und gehorche, edle Herrin!“ sagte er, und ich sah, daß die Anspannung aus seinem Gesicht gewichen war.
Als ich wach wurde, schien die Sonne bereits rot durch das Westfenster. Rowin stand davor und schaute dem Sonnenuntergang zu. Eine Hand lag auf der Vorhangstange, die andere hatte er locker in der Hüfte aufgestützt. Das schräg einfallende Sonnenlicht übergoss seinen nackten Körper mit einem Bronzehauch und verwandelte ihn in eine griechische Statue. Verzückt betrachtete ich das prächtige Bild, das er bot. Er wandte mir halb die Seite
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