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Das Treffen in Telgte

Das Treffen in Telgte

Titel: Das Treffen in Telgte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Silberleuchter besehen hatte, wandte er sich Gelnhausen zu, der immer noch mit dem Weinkrug neben ihm stand. Direkt ins Gesicht fragte er den Stoffel: Weshalb der eine Reiter und der grad tanzende Musketier – der dort! – am Kopf verletzt seien. Er wolle eine Antwort ohne Ausrede haben.
    Worauf alle am Tisch erfuhren, daß den Reiter ein Schuß gestreift und den Musketier ein Dragonersäbel gottlob nur leicht blessiert hätten.
    Weil Schütz nachfragte, hörte man, daß es zwischen den Kaiserlichen des Gelnhausen und einem schwedischen Kommando, dessen Standort in Vechta sei, zum Treffen gekommen wäre. Aber man habe den fouragierenden Schwed in die Flucht geschlagen.
    Und dabei Beute gemacht? wollte Schütz wissen.
Jetzt kam ans Licht, daß die Gänse, Ferkel, der Hammel von
    den fouragierenden Schweden grad einem Bauern abgeschlachtet worden waren, den, zugegeben, eigentlich Gelnhausen hatte besuchen wollen: Er kenne den braven Mann, den der Schwed leider ans Scheunentor gespießt hätte, noch aus jener Zeit, in der er als Jäger von Soest weitbekannt gewesen sei. Damals wäre er in seinem grünen Wams mit den Goldknöpfen überall…
    Schütz duldete kein Abschweifen. Schließlich kam heraus, daß sich das Kirchensilber, der knäbleinhohe Apollo, die hessischen Zeltplanen, das Schloßporzellan, die Altartücher nebst Pflaumenmus, Meßwein, kandiertem Ingwer, Essiggurken, Käse und Weizenstuten in einem erbeuteten schwedischen Planwagen gefunden hätten.
    Als wollte er seinen Bericht möglichst sachlich halten, erklärte Gelnhausen: Man habe die Bagage umladen müssen, weil die schwedische Karosse bei der Flucht bis zur Radnabe in den Sumpf geraten sei.
    Wer ihm namentlich den Auftrag für diese Räuberei erteilt habe?
So etwa sei die Weisung des Grafen von Nassau, vermittelt durch die kaiserliche Kanzlei, zu verstehen gewesen. Doch nicht Räuberei, sondern ein kriegsbedingtes Treffen habe das Umladen der Fourage zur Folge gehabt. Ganz nach Order.
Wie, aufs Wort genau, habe denn der Befehl geheißen, der ihm kaiserlich erteilt worden sei?
Neben der höflichen Austragung gräflicher Grüße sei ihm leibliche Sorge für die versammelten Poeten anbefohlen worden.
Hätte besagte Fürsorge unbedingt Fouragieren, also diverse Spießbraten, Würste, zwei Faß Wein, kunstreiche Bronze und weiteren Aufwand bedeuten müssen?
Nach gestriger Erfahrung mit der Küche der Wirtin des Brückenhofes wäre die Weisung des Grafen, leiblich fürsorglich zu sein, nicht nahrhafter einzulösen gewesen. Und was den schlichten festlichen Rahmen betreffe, habe schon Platon…
Wie um den Krug überlaufen zu lassen, wollte Schütz noch vom Stoffel wissen, ob bei der verruchten Räuberei, außer dem Bauern, weitere Personen zu Schaden gekommen seien. Und Gelnhausen klagte beiläufig: Soviel ihm bei der Eile des Geschehens erinnerlich geblieben, seien dem Knecht und der Magd die schwedischen Manieren nicht wohlbekommen. Und sterbend habe sich die Bauersfrau um ihr Bübchen gesorgt, das er, gottlob, in den nahen Buschwald habe laufen, dem Greuel entkommen sehen.
Dann sagte der Stoffel noch: Er wisse eine Geschichte, die ähnlich traurig im Spessart beginne. Denn so sei es ihm als Bub ergangen. »Knan und Meuder« seien gräßlich verkommen. Immerhin lebe er. Wolle Gott, daß dem westfälischen Buben gleichviel Glück in den Weg laufe.
Danach sah die Festtafel wüst aus. Die gehäuften Knochen und Knöchlein. Weinlachen. Der vormals bekränzte, nun angefressene Hammelkopf. Ekel kam auf. Die runtergebrannten Kerzen. Die sich verkläffenden Köter. Scheppernd höhnten die Baldachinschellen. Den allgemeinen Jammer stärkte die Laune der Musketiere und Reiter: mit den Weibern am Feuer sangen, lachten und grölten sie ungetrübt. Erst ein Zuruf der Wirtin machte den Sackpfeifer verstummen. Abseits erbrach sich der junge Birken. Die Herren standen in Gruppen. Nicht nur Scheffler, auch Czepko und der Kaufmann Schlegel weinten. Halblaut hörte man Gerhardt beten. Der immer noch vom Wein benommene Gryphius torkelte um den Tisch. Logau versicherte Buchner, er habe dem Schwindel von Anfang an mißtraut. (Nur mit Mühe gelang es mir, Zesen zurückzuhalten, der ans Emsufer wollte: Leichen treiben sehen.) Und Simon Dach stand wie gebrochen und atmete schwer. Sein Albert öffnete ihm das Hemd. Einzig Schütz behielt Fassung.
Er war in seinem Sessel bei Tisch geblieben. Und sitzend riet er den Poeten, ihr Treffen fortzusetzen, den unnützen Jammer

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