Das Treffen
auch nicht die Gäste der Lodge verdächtigen. Sie konnte sich ja verirrt haben oder den wilden Tieren zum Opfer gefallen sein. Vielleicht würden sich die Familien auch gegenseitig beschuldigen. Offensichtlich wussten die Jäger, dass die Clans auf Kriegsfuß miteinander standen.«
»Und sie haben das in aller Ruhe diskutiert, während das arme Kind vor ihren Augen verblutet ist?«, fragte Cora.
»Ich nehme es an.«
»Was für Mistkerle.«
»Es waren Jäger«, sagte Vivian. »Was erwartest du?«
»Ein bisschen Anstand.«
»Vergiss es.«
»Das Mädchen jedenfalls konnte sie nicht hören. Es war taubstumm.«
»Na toll«, murmelte Vivian.
»Henderson wies die anderen darauf hin, dass sie einen kaltblütigen Mord planten. Blutrache hin oder her, das war keine Entschuldigung, ein unschuldiges Kind umzubringen. Außerdem hätte sie sie sowieso nicht verraten können.«
»Sie hätte auf sie deuten können«, gab Abilene zu bedenken.
»Und grunzen.«
»Finley, du hast doch einen Dachschaden.«
»Sie versuchten, Henderson davon zu überzeugen, dass sie das Mädchen verschwinden lassen mussten. Aber er wollte nichts davon hören. Er öffnete ihr Hemd, um sich die Wunde anzusehen, und wollte gerade die Ärmel abschneiden, um sie als Verband zu benutzen, als ihn einer der anderen Typen k.o. geschlagen hat. Mit dem Gewehrkolben. Henderson hat ausgesagt, dass er das Bewusstsein verlor und nichts mit den folgenden Ereignissen zu tun hatte.«
»Klingt ja sehr glaubwürdig«, sagte Finley.
»Die Cops haben es ihm auch nicht abgekauft. Aber sie hatten keine Beweise gegen ihn und mussten ihn laufen lassen. Die Leiche hat man nie gefunden. Niemand weiß, wer sie überhaupt war. Es gab keine einzige Spur. Alles, was die Bullen hatten, war Hendersons Geschichte. Sie konnten ihn nicht mal verhaften.«
»Aber Henderson hat behauptet, dass sie sie umgebracht haben?«, fragte Abilene.
»Ja. Und noch dazu vergewaltigt.«
»Grundgütiger«, murmelte Cora.
»Henderson war sich da ziemlich sicher. Als er wieder aufgewacht ist, waren seine Kumpel nackt. Das Mädchen auch. Es war inzwischen tot. Sie hatten ihr die Kehle durchgeschnitten und ihren Bauch aufgeschlitzt. Sie waren gerade dabei, Steine hineinzustopfen. Damit sie untergeht, versteht ihr?«
Vivian stöhnte auf. »Ich will so was nicht hören.«
»Komisch, dass sie Henderson nicht auch umgebracht haben«, sagte Abilene.
»Vergiss nicht, dass niemand Hendersons Aussage widerlegen konnte, mit all dem nichts zu tun gehabt zu haben«, sagte Cora. »Vielleicht hat er sie ebenfalls vergewaltigt. Möglich, dass er sogar derjenige war, der sie ermordet hat.«
»Zumindest hat er behauptet, er habe Angst gehabt, dass ihn die anderen ebenfalls aus dem Weg räumen würden«,
fuhr Helen fort. »Jagdunfälle sind nichts Ungewöhnliches. Also hat Henderson so getan, als hätte er es sich anders überlegt und wäre mit ihrem Plan einverstanden. Aber die anderen trauten ihm nicht. Also zwangen sie ihn, auf das Mädchen zu schießen. Hätte die Polizei die Leiche gefunden, hätten sie durch eine Ballistikuntersuchung herausgefunden, dass mit Hendersons Waffe auf das Mädchen gefeuert worden war.«
»Ziemlich clever von ihnen«, sagte Abilene. »Oder clever von Henderson, sich so eine Story auszudenken.«
»Danach waren sie weniger clever. Der Plan war, mit der Leiche auf den See hinauszuschwimmen und sie zu versenken. Sie nahmen an, dass die Steine sie nach unten ziehen würden. Einer von ihnen ging zum Ufer, um sich umzusehen. Anscheinend ist der See nicht besonders groß. Auf jeden Fall badeten gerade andere Gäste der Lodge an einem Steg gegenüber. Die Jäger hatten Angst, entdeckt zu werden. Also entschlossen sie sich, die Leiche bis zum Einbruch der Dunkelheit zu verstecken. Sie legten ein paar Zweige darauf und gingen zur Lodge zurück.
Henderson erzählte seiner Familie, er sei gestolpert und mit dem Kopf gegen einen Stein geprallt. Er behauptete, dass ihm immer noch schwindlig und übel sei und er es für das Beste halte, das Krankenhaus aufzusuchen. Also packten sie ihre Sachen und fuhren in die Stadt. Er wurde gerade in der Notaufnahme untersucht, als in der Lodge das Abendessen serviert wurde.
Als am nächsten Tag ein weiterer Gast mit seiner Frau ankam, fand er nur noch einen Leichenberg vor.«
»Oh mein Gott«, sagte Cora.
»Man zählte achtundzwanzig Opfer, darunter auch den Besitzer der Lodge samt Frau und drei Kindern.«
»Was ist passiert?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher