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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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schnüffeln Sie?«
    Bevor sie hinter mich treten konnte, hatte ich alle Karten zurückgeklappt, sodass sie sich den Rest selber denken musste. Ihre Stimme war meinem rechten Ohr allzu nahe.
    »Verschwinden Sie, Fräulein Kruse.«
    »Und was ist mit der Reinschrift?«
    »Verschwinden Sie, habe ich gesagt.«
    Ihr Atem war nahezu betäubend, und Simon rief irgendetwas aus seinem Zimmer, das wie Du hast es versprochen! Karen? Du hast es versprochen! klang. Meine Beine zitterten, als ich den Stuhl zurückschob, und so passte eins zum anderen, denn ich war bis auf den Grund meiner Seele erschüttert. Es war noch nie vorgekommen, dass mein Gehör mich in keiner Weise davor gewarnt hatte, von den Falschen entdeckt zu werden. Doch meine Hand war einigermaßen ruhig. Ich griff nach der Smokingjacke und sobald ich sie zugeknöpft hatte, kehrte die Sicherheit in meinen Körper zurück. Ich nickte Frau Hansen freundlich zu.
    »Ja, dann sage ich Auf Wiedersehen.« Ich streckte ihr die Hand entgegen, doch sie sah mich nur kühl an, bis ich sie wieder sinken ließ. Die Farbe ihrer Augen war verblasst. Wahrscheinlich waren sie einmal blau gewesen.
    »Sie haben versprochen, nicht in meinen Sachen zu wühlen«, sagte sie. Ihre Stimme schnitt mir in die Ohren. »Sie haben gesagt, dass Ihnen das fernliegt, und trotzdem habe ich Sie wieder dabei erwischt. Was um alles in der Welt wollen Sie von uns, Fräulein Kruse? WAS WOLLEN SIE VON UNS ?«
    Und ich sagte ihr die Wahrheit:
    »Ich will nichts von Ihnen, Frau Hansen. Sie können ganz beruhigt sein, das hat absolut nichts mit Ihnen zu tun.«
    Doch sie sah alles andere als beruhigt aus, ihr Mund verzog sich.
    »Mein Mann hat mich gebeten, Ihnen ein Buch zu geben«, sagte sie. »Darüber haben wir eben diskutiert, denn ich war der Meinung, dass Sie so, wie Sie sich aufgeführt haben, nicht einmal eine Schmähschrift verdient hätten. Doch da er darauf besteht, sollen Sie es haben. Dann können Sie ja mit Ihrem Gewissen ausmachen, ob Sie meinen, es verdient zu haben, wenn Sie denn eins haben.«
    Frau Hansen reichte mir ein dickes Buch in einem vergilbten Umschlag. Die Titelseite schmückte ein einfacher schwarzer Rahmen. Natürlich hatte ich erwartet, Antonia von Liljenholms Namen darauf zu sehen. Doch ich irrte mich. Da stand zwar in Großbuchstaben Quell der Einsamkeit , und der Titel hätte durchaus auch eines der Bücher von Antonia von Liljenholm schmücken können. Doch darunter war zu lesen, dass der Roman von Radclyffe Hall war, wer auch immer das sein sollte, gefolgt von einer kleinen Tintenblume. Ganz unten stand: Hansen & Sohn, 1929 . Kurz gesagt, ich hatte keine Ahnung, was für ein Buch ich da bekommen hatte, und ehrlich gesagt gab es andere Dinge, die mich momentan mehr beschäftigten.
    »Grüßen Sie Simon und richten Sie ihm meinen Dank aus«, sagte ich zu der Tür, die Frau Hansen bereits zugeschlagen hatte. Auf dem Weg die Treppe hinunter blätterte ich in dem dicken Buch. Es konnten schließlich Nachrichten von Simon darin stecken, gut versteckt zwischen den Seiten, dachte ich, doch dem war nicht so. Oder sie sollten sich erst offenbaren, als ich das Buch einige Wochen später las und einem Menschen begegnete, der Ähnlichkeit mit mir selbst hatte. Stephen hieß sie, und auch wenn ich wohl kaum mehr zu schreiben brauche, werde ich es dennoch tun. »Diese Nacht waren sie nicht getrennt«, stand dort über ihre Beziehung zu einer anderen Frau, und zum Schluss rief sie Gottvater höchstpersönlich an. »Lass die ganze Welt wissen, dass Du uns anerkennst. Gib uns das Recht zu unserer Existenz.«
    Dass diese Engländerin es gewagt hatte, so etwas zu schreiben, und darüber hinaus noch in ihrem Heimatland dafür verklagt worden war, ahnte ich nicht, als ich mit Kurs auf die Kirche in meinem Stadtteil aus der Straßenbahn sprang und später mehrere Kilometer zu Fuß lief, das Buch unter dem Arm. Ich wusste nur, dass es außer mir kaum jemanden gab, der herausfinden konnte, ob Lily tot war oder noch lebte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich schnell sein musste. Die Wolken zogen sich zusammen und ließen einen Regenguss über Kopenhagen niedergehen. Ich versteckte das Buch unter meiner Smokingjacke und rannte.

Luftschlösser und Zukunftspläne
    Ich tat zwei Dinge, sobald ich wieder in der Pension war. Zum einen hing ich meinen Smoking zum Trocknen auf und zog mir einen neutraleren Anzug und meinen besten weißen Schlips an. Zum anderen verfasste ich eine Nachricht an Antonia

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