Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Titel: Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Honigmann
Vom Netzwerk:
winters dieselben Schuhe – Turnschuhe.
    Warum sie so ausschweifend lebten.
    Warum sie sich mit allen möglichen Mitteln zerstört haben.
    Warum sie sich besinnungslos tranken.
    Warum sie eigentlich auch kein Glück in der Liebe hatten, obwohl sie viele viele Affären und immer großen Erfolg bei Frauen hatten.
    Denn sie sahen ungewöhnlich gut aus, einer besser als der andere, sie fielen deswegen auf und hatten dazu noch Witz und Charme.
    Aber jedesmal, wenn sie sich mit einer Frau verbanden, brauchte man auf das Zerwürfnis und meist dramatische Ende nicht lange zu warten.
    Drei Brüder, die lange vor ihrer Zeit gestorben sind. Das ist doch nicht normal. Das ist doch völlig verrückt.
    Wir haben immer viel zusammen gelacht und herumgealbert, bis uns die Tränen über die Backen liefen.
    Wenn sie die Wahl zwischen einem zu Ende gedachten Gedanken und einem Witz hatten, wählten sie immer den Witz. Denn alles, was sie taten, taten sie nie ganz im Ernst, aber richtig komisch war es auch nicht. Sie konnten sehr liebevoll und sehr bösartig sein, auch zu uns, ihren Freundinnen. Sehr zärtlich und sehr verletzend. Und man wußte vorher nie, wie sie einen behandeln würden.
    Vor dem Ende ihrer unerklärlichen Tode trugen sie keine Sorge mehr um ihre Leben und auch nicht um ihre Würde. Klaus hat die letzten Wochen seines Lebens sozusagen als Untermieter in der eigenen Wohnung gewohnt, im Zimmer nebenan schlief seine Frau schon längst mit einem anderen. Sie hat nicht einmal bemerkt, daß er schon einen ganzen Tag tot war, bevor sie endlich den Arzt rief.
    Das erzählt mir Sanda jetzt in New York. Ich wußte nicht, daß er noch einen Tag lang tot auf dem Sofa gelegen hatte. Dabei hatte er mir kurz vorher noch die fünfzig Mark vorbeigebracht, die ich ihm geborgt hatte in der Annahme, daß ich sie nie wiedersehen würde, denn er war völlig betrunken, als er mich um den »Fuffi« bat: »Ich bring ihn dir nächste Woche wieder, brauchst keine Angst um deinen Fuffi zu haben, ich versprech’s dir! « Dazu noch ein paar Beschimpfungen und vielmals »Scheiße!« Und weil ich ihn nicht wie einen Clochard behandeln wollte, gab ich sie ihm. Den »Fuffi« habe ich tatsächlich wiedergesehen, aber Klaus, nachdem er ihn wiedergebracht hatte, nicht mehr. Als er die Treppe im Hausflur hinunterging, hielt er sich am Geländer fest, die Straße überquerte er torkelnd. Ich habe ihm aus dem Fenster nachgesehen. Bei seinem Begräbnis war ich nicht dabei. Weiß nicht mehr, warum nicht. Auch bei Peters und bei Thomas’ Begräbnissen war ich nicht dabei. Da wohnte ich auch nicht mehr in Berlin.
    Jetzt erzählt mir Sanda in ihrer MacDougal von den Begräbnissen unserer Freunde. Und dann schweigen wir eine Weile, was sonst selten zwischen uns vorkommt.

Lunchseminar im Remarque-Institut
    Eine von Peters Kolleginnen am Center for Jewish History nimmt mich zu einem der Lunch-Seminare am Remarque- Institut mit, einer erst zehn Jahre alten Neugründung der New York University, die dem Studium der amerikanisch- europäischen Beziehungen gewidmet ist und von dem britischen Historiker Tony Judt geleitet wird. Das Institut veranstaltet Kongresse, Vorlesungen und Fachtagungen mit dem Ziel, die locker gewordenen Bindungen zwischen Amerika und Europa wieder zu festigen und mit den osteuropäischen Ländern neu anzuknüpfen. Die Mittel dafür stammen aus dem Erbe, das die berühmte Hollywood- Schauspielerin Paulette Goddard, die mit Erich Maria Remarque verheiratet war, der New York University hinterlassen hat. Außerdem versteht das Institut sich als eine Art Club, in dem die verschiedensten Leute ganz informell zusammenkommen, um ihre Ideen und Meinungen auszutauschen.
    Der Ideenaustausch beginnt am Lunchbuffet, wo man schon neben dem einen oder anderen steht und mit ihm ins Gespräch kommen kann. Danach sitzen wir, etwa zwanzig Leute, um einen großen Tisch herum, auf bequemen Stühlen und Sesseln; auch der Raum, mit dicken Teppichen und schwer gerahmten Bildern an den Wänden, ähnelt mehr einem Club. Tony Judt, mit Nickelbrille,einen knallgelben Schal über den schwarzen Pullover geschwungen, präsidiert diskret, statt von einer Versammlung oder Gruppierung spricht er immer von »den Leuten in diesem Raum« und vermeidet es auch, »wir« zu sagen. »Die Leute in diesem Raum« sind ein offener Kreis von Intellektuellen und Künstlern aus dem Village, Professoren, Assistenten und Stipendiaten der New York University aus allen möglichen

Weitere Kostenlose Bücher