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Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Titel: Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Honigmann
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des 20. Jahrhunderts 500 000 Juden gelebt und gearbeitet und in 225 Synagogen gebetet oder auch nicht gebetet haben, und alle suchten so schnell wie möglich wieder von dort wegzukommen, um Millionär oder wenigstens wohlhabend zu werden, was einigen jaauch gelungen ist. Die Kinder oder Enkelkinder der Eingewanderten zogen später in die besseren Gegenden, an die Upper West Side oder gar die Upper East Side oder nach Brooklyn oder gleich nach New Jersey, und jetzt sind sie Ärzte oder Rechtsanwälte, Künstler, Professoren oder haben Kosmetikfirmen gegründet wie die kleine Esther Lau- der oder sind wer weiß wie gescheitert. Seit den 90er Jahren allerdings, seitdem sich die Stadt insgesamt von ihrem Niedergang erholt hat, ja geradezu wieder auferstanden und nun auch ganz safe ist, kehren einige der Kinder und Kindeskinder in die Lower East Side zurück. Jonathan nennt es sogar eine Jewish Renaissance . Er gehört zu denen, die dem Lower East Side-Schtetl, wo ihre Eltern eigentlich nur als Gefangene ihrer Herkunft und ihrer Armut lebten, ein bißchen nachtrauern.
    Dieses Auf und Ab der Geschichte spiegelt auch das Schicksal von »OUR Shul«, die 1913 erbaut wurde, wie groß unter der kaputten Rosette eingemeißelt steht, und zwar von der Kehile Bnei Jacob Anschei Brzezan, wie da auch steht, also der Gemeinde, oder wie sie hier sagen, congregation der »Söhne Jacobs, der Leute aus Brzezan«. Der Ortsname verrät schon, wo ungefähr man den Ort auf der Landkarte suchen könnte, vor allem wenn man noch erfährt, daß sich die »Leute von Brzezan« Anfang der 20er Jahre mit den ehemals umliegenden Schtetln Lancut, Bluzow und Rymynow zu einer einzigen congregation vereinigthaben. Dieser kurze historische Abriß ist auf einem eingerahmten Blatt innen neben dem Eingang zu lesen.
    Drinnen sieht die Schul ganz schön altersschwach und heruntergekommen aus, sozusagen wacklig auf den Beinen, aber auch nicht mehr ganz richtig im Kopf, denn neben ihrem heiligsten Stück, dem Toraschrank, sind Schüsseln und Eimer auf dem Boden aufgestellt, um den Regen aufzufangen, der durch das lecke Dach rinnt. Die Fresken an der Wand darf man ruhig Volkskunst nennen, sie stellen in bunten Farben die jüdischen Monate mit ihren persischen Namen und kabbalistischen Deutungen dar und blättern in großen Fetzen ab, den elektrischen Leuchtern fehlen die meisten Birnen. Wegen des ramponierten Zustands findet der Service, der tägliche Minjan und der am Schabbes, im Keller statt, der natürlich genauso schmal und tief und noch dunkler ist, aber dafür regnet es wenigstens nicht herein.
    Dem desolaten, ja, abbruchreifen Zustand werden jetzt die Tatkraft und der Enthusiasmus der »Leute von Brzezan« entgegengesetzt, die sich in einem langwierigen Prozeß durch alle Instanzen die Schul als »OUR Shul« erstritten haben, und zwar gegen den Rabbiner, der dieser kleinen Gemeinde über dreißig Jahre vorstand. Der Rabbi hatte Manhattans Verfall mit ansehen müssen, wie die Puertoricaner und die Chinesen kamen und Synagogen zu buddhistischen Tempeln oder Warendepots umfunktioniert wurdenoder einfach in sich selbst zusammenfielen. There’s nobody left, verkündete er, als in den neunziger Jahren die Immobilienpreise wieder stiegen, und verkaufte die Schul, als ob sie sein Eigentum wäre, und zwar hinter dem Rükken seiner Gemeinde , der er kein Sterbenswörtchen von diesem Deal mitteilte. Er wollte das Geld noch nicht einmal in seiner eigenen Tasche verschwinden lassen, erzählt mir Jonathan, nur die Schul loswerden und den Erlös an andere jüdische Organisationen verteilen, wie er vor Gericht aussagte.
    Die Gerichte aber erklärten den Verkauf für illegal, Jonathan und seine Freunde, die sich activists nennen, haben den Prozeß gegen ihren Rabbi haushoch gewonnen, und das war dann der Moment, als sie das Bettlaken unter die Rosette hingen: This Shul is OUR Shul. OUR groß und rot. Dann bildeten sie ein board zur Selbstverwaltung und fingen an, in der Schul aufzuräumen, zu putzen, zu wischen und zu reparieren. Das Aufräumen mußt du dir aber nicht so einfach vorstellen, erklärt mir Jonathan, denn wenn du irgendein völlig kaputtes Stück ausrangieren willst, mußt du es sehr weit wegtragen, damit es nicht einer von den alten Brzezanern wiederbringt und klagt, warum muß denn gerade das weggeworfen werden!
    Beim State Departement of Parks, Recreations and Historic Preservation hat das Board schon den Eintrag der Schul ins Register der

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