Das Ultimatum - Thriller
waren keine Schüsse mehr zu hören, dafür aber zuschlagende Türen, und überall machte sich der Gestank von Schmauch und Rauch breit.
Offenbar hatten die Gäste, die sich in ihren Zimmern verbarrikadiert hatten, im Fernsehen gesehen, dass sich die Geiseln auf der Terrasse versammelten, und versucht, ebenfalls nach oben zu gelangen, wobei zumindest einige aus den oberen Stockwerken in den Hinterhalt der Terroristen geraten waren.
Scope wandte sich um und wollte selbst zurück zur Terrasse.
Da hörte er von unten die Schmerzenslaute. Eine Treppe tiefer schien jemand verletzt.
»Ist dort jemand?«, rief Scope, den Finger immer noch am Abzug, denn es konnte sich genauso gut um ein Täuschungsmanöver handeln.
»Helfen Sie mir«, rief die Stimme. Jung, weiblich. Ohne fremden Akzent. »Ich bin verletzt.«
Scope konnte sie nicht einfach liegen lassen, deshalb ging er vorsichtig die Treppe hinunter. »Bleib, wo du bist. Ich komme.«
Als er um den Treppenabsatz bog, sah er sie. Eine hübsche Asiatin in einer Kellnerinnenuniform, höchstens zwanzig, die in der Mitte der Treppe stand und beide Arme hängen ließ. Sie zitterte, aber Scope konnte keine Verletzungen ausmachen. Hinter ihr lag, halb verdeckt und wie ein Fötus zusammengerollt, eine weitere Frau.
Scope zögerte. Er konnte das Gesicht der Liegenden nicht erkennen, doch sie trug ein schwarzes Kleid.
Die Kellnerin öffnete mit schreckgeweiteten Augen den Mund, als wollte sie etwas sagen, da explodierte ihr Gesicht in einer Fontäne von Blut und Knochensplittern, und das Treppenhaus erzitterte unter einer Salve Gewehrschüssen.
Als das Mädchen nach vorne gestoßen wurde und hart auf der Treppe landete, versuchte Scope noch in Deckung zu hechten, aber es war zu spät. Die andere Frau hatte sich aufgesetzt und schoss mit der schallgedämpften Pistole auf ihn. Er erkannte die hübsche dunkelhaarige Frau, die in der Lobby versucht hatte ihn zu töten, bevor ihn eine Kugel in der Schulter erwischte und ihn herumwirbelte. Eine zweite traf ihn im Rücken, und er fiel mit dem Gesicht voran die Treppe hinunter. Er ließ das Gewehr los und hörte noch, wie es die Stufen hinabpolterte.
Er fühlte keinen Schmerz, nur einen massiven Schock. Er versuchte sich zu bewegen, konnte aber nicht.
Dann spürte er eine Hand, die ihn an den Jackettaufschlägen hochriss, und sah in ein Paar hasserfüllter schwarzer Augen.
»Na bestens«, zischte die Frau und lächelte grausam. »Du lebst also noch.«
Sie hob ein Messer und berührte mit der Spitze fast seinen Augapfel.
»Jetzt gehörst du mir.«
89
Martin Dalston wusste, er wäre besser bei den anderen auf der Terrasse geblieben, aber als der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, zurück ins Hotel lief, um die verbleibenden Terroristen aufzuhalten, wollte er ihm unbedingt helfen. Er hatte zwar keine Idee, wie er das anstellen sollte, da er mit Ausnahme eines einmaligen Ausflugs zum Paintballspielen in High Wycombe über keinerlei militärische Ausbildung verfügte, doch es imponierte ihm, dass dieser Mann wieder und wieder sein Leben riskierte. Er wollte vor seinem Tod noch etwas Wichtiges, etwas Bleibendes tun, etwas, worauf sein Sohn stolz sein konnte. Und nun bot sich die Gelegenheit.
Niemand bemerkte, wie er zurück ins Restaurant lief. Aus dem Flur hinten ertönten Schüsse, doch Martin zögerte nicht länger. Er stürmte durch die Tür, wobei er immer noch keine Ahnung hatte, was er eigentlich wollte.
Im Flur lagen zwei Körper. Einer war eindeutig ein Terrorist, doch der andere, der auf dem Bauch in einer Blutlache lag, musste ein Gast sein.
Im Augenblick fielen keine weiteren Schüsse mehr. Eine bedrohliche Stille breitete sich aus. Martin fragte sich, wohin der Mann verschwunden war und ob er den Terroristen erschossen hatte. Er näherte sich den Leichen, dabei fiel ihm ein, dass dieser Flur zur Feuertreppe führte, die er mit den anderen Geiseln hatte hochgehen müssen, nachdem die Terroristen das Hotel in ihre Gewalt gebracht hatten.
Er schaute auf den toten Terroristen hinunter und fragte sich, was der Mann wohl damit bezweckt hatte, so viele Menschen zu töten, und ob er befriedigt gestorben war. Martin hatte seine Zweifel. Welch eine verschwendete Existenz.
Immerhin konnte er noch helfen, Menschenleben zu retten, dachte er, als er die Tür zum Treppenhaus aufstieß.
Und da hörte er es auch schon.
»Na, tut das weh? Ja? Tut’s weh?«
Worte, hervorgestoßen voller Hass und Abscheu.
Martin erstarrte.
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