Das Ultimatum - Thriller
fast einer Stunde auf einen Steak-Burger mit Pommes frites wartete. Natürlich kam es in einem Hotel wie dem Stanhope immer mal wieder zu Verzögerungen bei der Bestellungsausführung, allerdings war das bislang eher selten passiert. Fünf nicht ausgeführte Orders innerhalb einer Stunde dagegen hatte es noch gar nicht gegeben. Deshalb beschloss Elena, sich den Catering Manager zur Brust zu nehmen und die Sache ein für alle Mal zu klären. Sollte sich erweisen, dass Armin dafür verantwortlich war, würde sie ihn höchstpersönlich aus dem Hotel eskortieren.
In der Küche fiel ihr ein bekanntes Gesicht auf – Faisal, der jordanische Chef de Partie, der in einem riesigen Topf rührte. Er grinste sie freudig an und salutierte übertrieben galant mit einem Griff an seine Kochmütze.
»Miss Serenko. Wunderschön wie stets. Wie geht es Ihnen?«
»Ach, danke Faisal«, antwortete Elena und fühlte sich sofort besser. »Mir geht’s gut. Hast du Rav gesehen? Ich muss ihn dringend sprechen.«
»Ich glaube, er ist hinten draußen und faltet einen der Angestellten zusammen.« Er zog seine grauen Augenbrauen hoch und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als hinter der Tür zum großen Vorratsraum und zur Lieferantenzone Unruhe entstand und etwas zu vernehmen war, das sich wie gebellte Befehle anhörte.
Alle in der Küche drehten sich überrascht um. Ein weiteres Geräusch hallte durch den Raum. Unverwechselbar.
Ein Schuss.
Alle erstarrten. Das Ganze kam zu unerwartet, als dass sich jemand rührte.
Dann schwang die Tür auf, und Rav stolperte herein. Er war wie immer tadellos gekleidet, doch jetzt prangte auf dem weißen Hemd unter seinem marineblauen Anzug ein roter Fleck und verbreiterte sich. Sein Gesicht drückte Fassungslosigkeit aus, eine Fassungslosigkeit, die sich auf die anderen Gesichter in der Küche übertrug.
Kurz hintereinander fielen zwei weitere Schüsse, Ravs Kopf schien zu explodieren, eine Blutfontäne sprühte herab, besudelte eine der Arbeitsflächen aus Edelstahl. Als Rav zu Boden stürzte, konnte man jemanden im Türrahmen erkennen. Es war Armin, der Zimmerkellner, mit dem Elena sich eine Stunde zuvor gestritten hatte. Er hielt eine rauchende Pistole in der Hand.
Ein junger Tellerwäscher, der Elena vage bekannt vorkam, stand etwa einen Meter neben Armin. Der Junge sprang ihn an und versuchte, ihm die Pistole zu entreißen. Doch Armin war schneller. Er fuhr herum und schoss. Von mehreren Kugeln getroffen ging der Tellerwäscher zu Boden.
Nun stürmten mehrere identisch gekleidete Männer in die Küche. Sie trugen schwarze Uniformen, Sturmhauben und waren mit Gewehren bewaffnet.
»Los, alle runter auf den Boden!«, rief der erste und richtete sein Gewehr auf Elenas Brust.
Einen schier unendlichen Augenblick war Elena unfähig, sich zu rühren, dann packte Faisal sie am Kragen ihres Jacketts und riss sie zu Boden.
Als Elena mit den Schulterblättern voraus auf den Fliesen aufschlug, wurde über ihr aus mehreren Waffen geschossen. Sie hörte, wie Faisal aufschrie und auf die Knie sank. Sein Oberkörper schwankte einen Moment unstet hin und her, dann zerfetzten weitere Schüsse seinen Rücken, Blutfontänen spritzten, wo die Kugeln Arterien erwischt hatten. Er fiel zur Seite und landete tot auf Elenas Beinen.
Das Ganze hatte kaum zehn Sekunden gedauert, und den größten Teil dieser Spanne hatte Elena gebraucht, um zu realisieren, was sich vor ihren Augen abspielte. Als sie es begriff, breitete sich ein eisiges Gefühl in ihrem Magen aus, sie musste würgen und wurde gleichzeitig von dem unbedingten Wunsch zu überleben überwältigt. Sie wollte um jeden Preis aus der Schusslinie. Sie strampelte sich Faisals Leiche von den Beinen und robbte hinter eine der Küchenzeilen. Wieder gellte ein Feuerstoß durch den Raum, die Kugeln prallten von den Edelstahloberflächen ab und schwirrten kreuz und quer durch die Luft.
Als sie sich ein wenig aufrichtete und gegen den glänzenden Stahl lehnte, überrollte sie die Angst wie eine furchtbare Welle. Sie saß in der Falle. Zurück zur Lobby waren es bestimmt vier Meter, ohne dass sie irgendwo Schutz suchen konnte. Sie würde es nie schaffen. Sie würde sterben. Hilflos und ohne die Menschen, die sie liebte. Rod, ihre Mutter, ihre Schwester.
In einer Hotelküche, die nach Fett stank, verdammt.
Elena fing den Blick eines anderen Angestellten auf, eines jungen Iren, der Aidan hieß und ebenfalls in der Küche arbeitete. Sie hatte ihn ein paar Mal gesehen.
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