Das Ultimatum
Baseballmützen. Der Van wurde langsamer und bog in eine enge dunkle Gasse ein. Nach zehn Metern blieb der Wagen stehen, und der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein. Der Van rollte wieder auf die Straße hinaus, blieb erneut stehen und fuhr dann in die Richtung, aus der er gekommen war. Für einen zufälligen Beobachter hätte es so ausgesehen, als würde das Klempnerauto nach irgendeiner Adresse suchen, wo die Dienste des Handwerkers gebraucht wurden.
In der dunklen Gasse wartete der Mann, der zuvor als Beifahrer in dem Wagen gesessen hatte, und beobachtete die Umgebung. Nach einigen Minuten stand er auf und schlich auf leisen Sohlen die Gasse entlang. Sechs Häuser weiter blieb er hinter einer Garage stehen, die einem Mr. Harold J. Burmiester gehörte. Der Mann zog eine Plastiktüte aus der Jackentasche und entleerte sie über den Zaun hinweg in den Garten hinter dem Haus. Er zwängte sich zwischen die Ecke des Zauns und die Garage und drückte den Knopf für die Beleuchtung seiner Armbanduhr; es war 22:44 Uhr. Er würde noch fünfzehn Minuten warten müssen, um sicherzugehen, dass der Köder angebissen wurde.
Burmiester war der Ansicht, dass Hightech-Sicherheitssysteme reine Geldverschwendung waren. Sein Haus war das einzige in der ganzen Straße, das nicht mit einer Alarmanlage ausgerüstet war und gleichzeitig das einzige, in das noch nie eingebrochen worden war. Diese Tatsache war auf einen stattlichen Deutschen Schäferhund namens Fritz zurückzuführen.
Der unwillkommene Beobachter wartete still in seinem dunklen Winkel, so wie er es schon in so vielen Nächten zuvor getan hatte, um sich zu vergewissern, dass der Banker im Ruhestand tatsächlich immer pünktlich war.
Um 22:55 Uhr ging das Licht im Garten an, und der Schatten des Zauns wurde über die Gasse und auf die Garage des Nachbarn geworfen. Im nächsten Augenblick ging die Tür auf, und die Hundemarken am Halsband des Tieres klimperten, als Fritz die Stufen hinuntersprang und in den Garten lief. Jede Nacht um genau 22:55 Uhr ließ Burmiester den Hund hinaus, damit er sein Geschäft verrichten konnte, um ihn fünf Minuten später wieder hereinzulassen, worauf der Mann die Abendnachrichten im Fernsehen ansah.
Der Hund lief geradewegs zum Zaun, nachdem ihm sein Herrchen beigebracht hatte, sich dort zu erleichtern. Fritz war gerade dabei, sein Wasser zu lassen, als er plötzlich etwas witterte. Er lief in die Ecke des Gartens, wo das Fleisch lag, und begann sofort die kleinen Rindfleischstücke zu fressen. Der Mann stand still in seinem Winkel und lauschte, wie der Hund das Fleisch verschlang. Wenige Minuten später hörte er, wie die Tür knarrend aufging, und Fritz lief, ohne dass man ihn rufen musste, ins Haus zurück.
Freitag, 00:05 Uhr
Senator Daniel Fitzgeralds Limousine rollte gemächlich auf der Massachusetts Avenue nordwärts. Es war kurz nach Mitternacht, und der Senator saß auf dem Rücksitz, trank ein Glas Scotch und las die Washington Post. Er hatte soeben die dritte Veranstaltung an diesem Abend verlassen und war auf dem Heimweg. Fitzgerald war Vorsitzender des Finanzausschusses im Senat und einer der mächtigsten Männer in Washington. Er hatte dichtes graues Haar und eine rote Knollennase, die von seinen Trinkgewohnheiten zeugte. Der Senator hatte zwei Laster – Frauen und Alkohol. Er war dreimal verheiratet gewesen und hatte sich soeben von seiner dritten Frau scheiden lassen. Trotz mehrerer Entziehungskuren war es ihm nie gelungen, vom Alkohol loszukommen. Vor einigen Jahren hatte er dann beschlossen, nicht länger gegen seine Sucht anzukämpfen. Er liebte das Zeug nun einmal, und damit basta. Bei all den persönlichen Turbulenzen, den gescheiterten Ehen und Beziehungen, aus denen sechs Kinder hervorgegangen waren, von denen er kaum etwas wusste, und den depressiven Phasen, die er durchgemacht hatte, gab es eine Sache, an die sich der Senator klammerte – seinen Job. Seine Arbeit war alles, was ihm im Leben geblieben war.
Fitzgerald war schon seit über vierzig Jahren in Washington. Nach dem Jurastudium in Yale hatte er in einer renommierten Anwaltskanzlei in Boston begonnen, ehe er mit achtundzwanzig Jahren als Abgeordneter ins Repräsentantenhaus gewählt wurde. Er wurde zweimal wiedergewählt, ehe einer der beiden Senatssitze seines Bundesstaats frei wurde. Auf Drängen und mit der finanziellen Unterstützung seines Vaters stürzte sich Fitzgerald in den teuersten Wahlkampf, den New Hampshire je gesehen hatte –
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