Das Ultimatum
und deshalb nur einige wenige Fragen beantworten könne. Stevens war ein wenig nervös. Es war immerhin fast vier Monate her, seit er seine letzte Pressekonferenz gegeben hatte. Die Medien hatten dem Präsidenten eine ungewöhnlich lange Schonfrist eingeräumt. Sie hatten ihn während des Wahlkampfs fast ausnahmslos unterstützt, woraufhin Stevens sich bemühte, sie mit Informationen zu versorgen. Das Verhältnis blieb jedoch nicht so ungetrübt, als sich im zweiten Jahr seiner Amtszeit einige Journalisten daran erinnerten, dass es ihre Aufgabe war, Fakten zu berichten und die Menschen im Land zu informieren. Es wurden einige skandalträchtige Vorfälle enthüllt, doch bevor sie die Schlagzeilen beherrschten, schritt Stu Garret ein und verhinderte Schlimmeres. Dokumente wurden vernichtet, Leute wurden dafür bezahlt, dass sie schwiegen oder logen, und alles wurde rundweg geleugnet und als Schmutzkampagne der Opposition abgetan. Der Stabschef dachte sich daraufhin für den Präsidenten eine neue Strategie im Umgang mit den Medien aus. Er sollte den Gekränkten spielen, der sich verraten fühlte, und ansonsten Abstand zu den Journalisten halten. Der Präsident nahm diesen Rat gerne an, und die neue Strategie schien auch tatsächlich zu funktionieren.
So mancher Journalist sehnte sich nach der harmonischen Beziehung zurück, die während des ersten Regierungsjahres zwischen den Medien und dem Präsidenten bestanden hatte, doch die abgebrühteren Journalisten durchschauten den Schwindel. Zu viele Dokumente waren auf unerklärliche Weise verschwunden, und zu viele Zeugen sahen plötzlich alles ganz anders, als sie es ursprünglich dargelegt hatten. Die alte Garde der Journalisten fiel nicht auf die gekränkte Haltung des Präsidenten herein; sie gingen davon aus, dass kein Politiker jemals etwas tat, das nicht purer Berechnung entsprang. Wenn der Präsident zu den Medien auf Distanz ging, so tat er das nicht, weil er sich hintergangen fühlte, sondern weil er etwas zu verbergen hatte.
Garret nahm den Präsidenten beiseite, um ihm noch einmal einzuschärfen, mit welchen Journalisten er sich in der bevorstehenden Pressekonferenz nicht einlassen solle. »Vergessen Sie nicht, Jim, nicht mehr als vier Fragen. Und rufen Sie auf gar keinen Fall Ray Holtz von der Post und Shirley Thomas von der Times auf.« Der Präsident nickte zustimmend. Garret legte ihm eine Hand auf die Schulter und führte ihn zur Tribüne. »Ich bin bei Ihnen, falls irgendjemand Sie in die Enge treibt. Und nicht vergessen – höchstens vier Fragen, dann müssen Sie zu einem Treffen mit dem neuen ukrainischen Ministerpräsidenten. Wenn sie sich über die Kürze der Pressekonferenz beklagen, dann sagen Sie ihnen mit einem bedauernden Lächeln, dass Sie heute noch einige wichtige Termine vor sich hätten.«
Der Präsident sah seinen Stabschef lächelnd an. »Stu, keine Sorge, ich mache das nicht zum ersten Mal.«
Garret erwiderte das Lächeln. »Ich weiß, das macht mich ja gerade nervös.«
Ann Moncur sprach immer noch zu den Anwesenden, als ihr auffiel, dass sich die Aufmerksamkeit der Journalisten von ihr abwandte. Sie blickte zur Tür hinüber und sah den Präsidenten hereinkommen.
»Guten Tag, Mr. President. Möchten Sie übernehmen?«
Der Präsident sprang die beiden Stufen herauf und schritt auf das Rednerpult zu. »Danke, Ann«, sagte er und schüttelte seiner Pressesprecherin die Hand, worauf sie zu Stu Garret und Mark Dickson in den Hintergrund trat. Während der Präsident seine Notizen ordnete, schossen die Fotografen ihre Bilder. Nach einigen Sekunden räusperte sich Stevens und blickte in die Runde der Anwesenden. »Guten Tag«, sagte er mit einem angedeuteten Lächeln.
Die Medienvertreter erwiderten den Gruß, worauf das Lächeln des Präsidenten breiter wurde. Wie die meisten Politiker wusste auch Stevens genau, wie er sich in der Öffentlichkeit zu geben hatte – und seine wirkungsvollste Waffe war sein strahlendes Lächeln. Die meisten Anwesenden wussten nicht, dass dieses Lächeln einstudiert war. Nur wenige Dinge in seiner Administration passierten ganz spontan – dafür sorgte schon Stu Garret. Das Lächeln hatte den gewünschten Effekt, denn die meisten Journalisten lächelten ihrerseits. Der Präsident legte seine gepflegten feingliedrigen Hände auf den Rand des Rednerpults und räusperte sich noch einmal. »Ich habe diese Pressekonferenz einberufen, um Ihnen einen Sieg für das amerikanische Volk zu verkünden. In der
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