Das Ultimatum
hatte die Firma neunzig Quadratmeter Büroraum und weitere neunhundert Quadratmeter Lagerraum gemietet. Coleman fuhr seinen Ford Explorer in das riesige Lagerhaus und stieg aus. Er hatte zuvor seine beiden einzigen Angestellten angerufen und ihnen gesagt, dass sie sich gegen vier Uhr nachmittags im Büro treffen würden. Als er eintraf, standen sie bereits beim Büro und überprüften ihre Taucherausrüstung. Dan Stroble und Kevin Hackett waren, so wie er, ehemalige SEALs. Sie hatten drei Jahre in Colemans SEAL-Team gedient und sich ungefähr ein halbes Jahr nach ihrem Kommandeur aus der Navy verabschiedet.
Seit der Gründung der SEAL Demolition and Salvage Corporation vor vier Monaten hatten sie nur einen Auftrag angenommen. British Petroleum hatte still und leise beschlossen, seine verlassene Bohrinsel im Nordatlantik zu versenken. Irgendwie war das Vorhaben durchgesickert, und Greenpeace mobilisierte eine Gruppe von Aktivisten, um die Bohrinsel zu besetzen und zu verhindern, dass sie versenkt wurde. Sie wollten erreichen, dass die Anlage Stück für Stück demontiert wurde. Die Verantwortlichen von BP standen vor einer einfachen Entscheidung: das Versenken der Anlage hätte etwa zweihunderttausend Dollar gekostet, das Verschrotten an Land hingegen etwa fünf Millionen Dollar.
BP beeilte sich, ein Sprengteam auszurüsten, das die Bohrinsel versenken sollte, bevor Greenpeace seine Leute vor Ort hatte. BP schätzte, dass man die Sprengladungen binnen achtundvierzig Stunden installiert haben würde. Man erfuhr jedoch, dass ein Boot mit Greenpeace-Aktivisten im Hafen von Reykjavik vor Anker lag, das am folgenden Morgen auslaufen sollte. Die Aktivisten würden gegen Mittag bei der Bohrinsel eintreffen und die Plattform stürmen, worauf das Ganze zu einem riesigen Medienspektakel eskalieren würde. Die Öffentlichkeit und die zuständigen Politiker würden Druck auf BP ausüben, die Anlage ordnungsgemäß zu demontieren. BP musste irgendwie dafür sorgen, dass die Aktivisten nicht so schnell vor Ort sein konnten, damit ihnen genug Zeit blieb, um die Anlage zu versenken.
Ein Manager der Firma sollte einen Weg finden, die Aktivisten von der Bohrinsel fern zu halten, ohne dass jemandem auffiel, dass BP seine Hände im Spiel hatte. Der Mann rief verschiedene Kontaktpersonen in Amerika und England an und erfuhr, dass es in Maryland eine ganz junge Firma gab, die für diesen Job die idealen Voraussetzungen mitbrachte. Er rief Coleman an und erläuterte ihm, dass er zwanzig Stunden hätte, um nach Reykjavik zu gelangen und das Boot am Auslaufen zu hindern. Es war dem Mann egal, wie das Ziel erreicht wurde, solange keine Personen zu Schaden kamen.
Coleman hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel es BP kosten würde, die Anlage zu verschrotten, und so erklärte er sich bereit, den Job für dreihunderttausend Dollar zu übernehmen. Der Mann von BP war einverstanden, und so packten Coleman, Stroble und Hackett ihre Taucherausrüstung ein und nahmen die nächste Maschine vom Flughafen Dulles nach Reykjavik.
Sie landeten kurz vor Sonnenuntergang in der isländischen Hauptstadt und waren um elf Uhr abends am Pier. In ihrer Zeit bei den SEALs hatten sie unzählige Stunden damit zugebracht, in den schmutzigen Gewässern irgendwelcher Häfen herumzuschwimmen und Sprengladungen an Schiffen anzubringen oder Schiffsschrauben und Steuerruder zu sabotieren. Die einzige Besonderheit an dieser Mission war die Wassertemperatur. Trotz ihrer Neopren-Taucheranzüge konnten sie nicht länger als fünfzehn Minuten am Stück im Wasser bleiben. Deshalb schwammen sie von einem Liegeplatz aus abwechselnd die sechzig Meter zu dem Schiff hinüber. Mit einem Schneidbrenner bearbeiteten sie das Verbindungsstück zwischen der Antriebswelle und der Schraube, sodass das Boot bis zu einer Geschwindigkeit von rund zehn Knoten steuerbar bleiben würde. Sobald es schneller unterwegs war, würde das sabotierte Verbindungsstück unweigerlich brechen.
Am nächsten Morgen saßen sie in einem Café und schlossen Wetten ab, ob es das Schiff aus dem Hafen schaffen würde oder nicht. Coleman hatte kein schlechtes Gewissen bei dem Job. Er hatte einen großen Teil seines Lebens auf den Meeren verbracht und hegte tiefen Respekt für diesen Lebensraum. Und er war überzeugt davon, dass es keinerlei Schaden anrichten würde, ein paar tausend Tonnen Stahl auf den Meeresgrund zu versenken. Während sie ihren Kaffee tranken und auf ihren Acht-Uhr-Flug nach
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