Das Ultimatum
einem unangenehmen Gefühl beschlichen. Es war eine Mission, die unter dem Decknamen Operation Snatch Back gelaufen war. Es gab nur wenige, die von Snatch Back wussten, und niemanden, der darüber reden wollte.
Nach dem Eintrag dieser Operation war nur noch das Datum von Colemans Ausscheiden angegeben. Gerade das Fehlen von weiteren Informationen weckte Kennedys Interesse. Sie blätterte zur letzten Seite weiter und las, dass Coleman in Adams Morgan lebte und eine Firma namens SEAL Demolition and Salvage Corporation gegründet hatte. Sofort fragte sie sich, wer wohl mit ihm für die Firma arbeitete. Je größer ihre Neugier wurde, umso weniger spürte sie ihre Müdigkeit, und sie nahm die Akte, stand auf und ging über den Flur zu General Heaneys Büro hinüber. Ein junger Ensign war der Einzige, den sie im Büro vorfand.
»Ist der General nicht da?«, wollte Kennedy wissen.
»Dr. Kennedy, er hat sich schon vor drei Stunden von Ihnen verabschiedet … Er hat Ihnen doch gesagt, dass er um sechs Uhr wieder da sein würde.«
»Verdammt«, murmelte Kennedy.
»Ma’am, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, Sie sehen auch so aus, als könnten Sie ein wenig Schlaf vertragen.«
Sie schüttelte den Kopf und blickte auf das Dossier hinunter. Einige Augenblicke stand sie etwas unschlüssig da und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun, Ma’am?«
Kennedy sah den jungen Offizier an und überlegte, ob sie mit ihm über die Akte sprechen konnte. Sie ließ den Gedanken jedoch wieder fallen; der junge Mann war von seinem Alter und Rang her bestimmt nicht berechtigt, über solche Dinge Bescheid zu wissen. »Nein … trotzdem danke für das Angebot.« Die spindeldürre Antiterror-Spezialistin wollte schon gehen, drehte sich dann aber noch einmal zu ihm um. »Ensign, wie ungewöhnlich ist es eigentlich, dass man bei den Special Forces eine vorzeitige Entlassung bekommt?«
»Das kommt gar nicht so selten vor. Es passiert immer wieder, dass einer eine schwere Knieverletzung hat oder sonst irgendetwas Gravierendes. Knieverletzungen brauchen oft ein Jahr, bis sie vollständig verheilt sind – und wenn jemand ohnehin in einem Jahr ausscheiden würde und sich eine solche Verletzung hinzieht, dann lassen wir ihn eben früher gehen.«
»Danke«, sagte Kennedy und wandte sich zum Gehen um, doch auch diesmal fiel ihr noch etwas ein. »Wenn das der Fall wäre, würde dann in der Akte nicht Vorzeitige Entlassung aus Gesundheitsgründen stehen?«
»Genau so wäre es«, antwortete der junge Mann.
Kennedy öffnete Colemans Akte, suchte die betreffende Stelle und zeigte sie dem jungen Ensign. »Das hier kann dann keine Entlassung aus Gesundheitsgründen sein, nicht wahr?«
»Nein. Eine solche Angabe habe ich noch nie gesehen. Na ja, bei den ständigen Budgetkürzungen kommt so etwas in der regulären Navy immer öfter vor, aber nicht bei den Special Forces.«
Kennedy zögerte einige Augenblicke und fragte sich, ob sie den jungen Ensign ersuchen sollte, General Heaney zu Hause anzurufen. Nachdem ihr aber klar war, dass der General den Schlaf genauso dringend brauchte wie sie selbst, beschloss sie, bis zum nächsten Morgen zu warten. Sie bat den Ensign um ein Blatt Papier und notierte eine Nachricht für den General, die sie an die Akte heftete.
»Würden Sie das hier bitte auf den Schreibtisch des Generals legen?«, bat sie den jungen Mann und beschloss, die restlichen Akten bis morgen liegen zu lassen. Sie musste um acht Uhr früh bei einer Sitzung in Skip McMahons Büro sein.
Arthur und Nance standen fast vierzig Minuten draußen auf der Veranda und unterhielten sich, während sie ihre Zigarren rauchten. O’Rourke und Coleman überlegten unterdessen, aus welchem Grund der Nationale Sicherheitsberater Arthur aufgesucht haben mochte. Schließlich gingen die beiden hinein, und wenige Minuten später hörten die heimlichen Beobachter einen Wagen wegfahren. Es dauerte nicht lange, bis der Wächter an der Klippe mit seinem Hund zum Haus zurückkehrte. Coleman suchte den Garten gründlich ab und teilte seinen Begleitern mit, dass sie noch ein paar Minuten abwarten würden, um sicherzugehen, dass ihnen nichts entgangen war. »Also gut, gehen wir zum Boot zurück«, wies er die anderen schließlich an. »Meldet euch sofort, wenn sich irgendetwas tut, over.«
Coleman ließ sich als Erster vom Dach auf den Stuhl hinuntergleiten. O’Rourke folgte ihm und stellte den Stuhl an den Tisch zurück, von
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