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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. »Ich könnte jetzt sagen, ich bin zu anspruchsvoll. Ich könnte auch sagen, es gibt nicht viele Frauen wie dich. In Wahrheit bin ich für jede potenzielle Kandidatin eine Zumutung.«
    »Hattest du schon jemals so was wie eine längere Beziehung?«
    »Kann man nicht sagen. Ich tauge wohl nur für die Kurzstrecke. Bei weiteren Entfernungen geht mir der Treibstoff aus. Mehr als zwei Jahre habe ich’s nie geschafft.«
    »Und das bedauerst du.«
    »Hab ich das gesagt?«
    »Nein, aber ich hab’s gehört.«
    Er sieht sie überrascht an. »Ich begreife langsam, warum du so gute Interviews geführt hast.« Er zeigt auf ihr leeres Glas. »Noch Wasser?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Einen Wein?«
    »Nein, ich hatte schon Spumante vorhin.«
    »Allein?«
    »Ja.«
    »Gab’s einen Anlass?«
    »Es gibt immer einen Anlass.«
    »Martha?« Seine Stimme wird leiser. »Ich hab dich kürzlich gesehen. Du hast mich nicht bemerkt.«
    »Wo war das?«
    Er zögert. »Bei Dottore Antinori.«
    Sie wird blass. Der Name ihres Onkologen hat hier nichts zu suchen. Und doch steht er da, breitet sich aus in diesem Raum, den Michele und sie gefüllt haben mit Lachen und Liebe und mit nichts anderem.
    »Du kamst aus dem Besprechungszimmer. Ich stand an der Garderobe und half gerade meiner Mutter aus dem Mantel.«
    »Deiner Mutter?«
    »Sie hat Lungenkrebs im Endstadium. Dabei hat sie nie geraucht. Na ja, sie hasst Ärzte. Und deshalb begleite ich sie. Mit ihrem Sohn fühlt sie sich etwas sicherer. Obwohl’s nur die Illusion von Sicherheit ist bei all dem, was wir da hören.«
    Martha überlegt. Überlegt fieberhaft, ob sie Fragen stellen soll. Fragen, um abzulenken. Wie alt seine Mutter ist? Wann der Krebs bei ihr entdeckt wurde? Ob sie Schmerzen hat? Doch all diese Fragen würden einer einzigen letztlich nicht ausweichen können. Also schweigt sie.
    Silvio kommt direkt zum Punkt. »Und warum warst
du
bei einem Onkologen?«
    Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Bestimmt nicht, weil er mein Liebhaber ist.«
    Ein Lächeln streift Silvios Gesicht. »Weiß Michele es?«
    »Nein, ich hab es ihm nicht gesagt.«
    »Verstehe.«
    »Du bist der Erste, der das sagt. Die anderen meinen, ich sollte ehrlich sein.«
    »Die Leute überschätzen die Ehrlichkeit. Hört sich immer so toll an, aber in Wahrheit haben wir doch alle Schiss davor, uns mit der Wahrheit anzulegen. Ist es schlimm bei dir?«
    »Ziemlich schlimm.«
    »Ist ein guter Arzt, der Antinori. Kein Schönredner. Der weiß, was er tut.«
    Sie nickt, und sie denkt dabei an die Tablettenschachteln in ihrer Handtasche.
    »Von mir erfährt Michele nichts.« Silvio steht auf. »Ach ja, du fragtest vorhin, wo er ist. Er gibt eine private Yogastunde. Müsste bald wieder zurück sein.«
    Sie erhebt sich auch, und während sie hinter ihm zur Tür geht, begreift sie plötzlich, was sie all die Wochen nicht begriffen hat – warum er Micheles bester Freund ist.
    »Ich gebe übrigens am nächsten Samstag ein kleines Fest. In meinem Haus oben in Verucchio«, sagt er.
    »Wo ist das?«
    »In der Nähe von Rimini, in den Bergen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ein Haus hast.«
    »Genau genommen gehört es meiner Mutter, aber sie hat es mir geschenkt. Noch zu Lebzeiten«, setzt er nach.
    »Was gibt es zu feiern?«, fragt sie.
    »Meinen Geburtstag. Kein runder, um deine nächste Frage zu beantworten. Eine Vier und eine Sieben, ’ne ziemlich krumme Sache also.«
    Sie lacht. »Besser als eine Sieben und eine Vier.«
    »Hey, was ist los? Du hast mich gerade das erste Mal richtig angelacht. Das rettet meinen Tag, liebe Martha.«
    »Danke.«
    »Wofür? Weil ich dir gesagt habe, dass du sexy Beine hast?« Er nimmt die Türklinke in die Hand. »Bring übrigens deine Tochter und deinen Ex-Mann mit zu meinem Fest.«
    »Du weißt von den beiden?«
    »Michele kann wenig für sich behalten. Er brennt ja schon drauf, die zwei endlich kennenzulernen. Könnte eine hübsche Familienzusammenführung werden. Francesca ist auch dabei. Und als Mediator habe ich den verrückten Psychologen eingeladen, mit dem du Italienisch lernst und der letztens mit uns in dieser Bar an der Maggiore war. Ziemlich trinkfest und ziemlich clever, der Alte.«
    »Ich mag ihn sehr.«
    »Das ist mir nicht entgangen.«
    Martha reicht Silvio die Hand. Ihr Blick fällt auf die Hutschachtel am Boden. »Da ist ein Spielzeug drin«, sagt sie. »Ein kleiner Fesselballon.«
    »Das wird ihm gefallen«, erwidert er und

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