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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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er. Und dies war das Letzte, was er aufschrieb. Es war ein schlechter Scherz, aber ich war trotzdem froh darum.
    »Ja, wir sehen uns auf der anderen Seite«, sagte ich.
    Ich hielt das Glas, damit es nicht umfiel, während Mr. Peterson das Natrium-Pentobarbital durch den Strohhalm einsaugte. Ich sorgte dafür, dass alle Flüssigkeit aus dem Glas verschwunden war, ehe ich es wieder auf den Tisch stellte. Dann fing ich an zu lesen.
    »›Hört‹«, las ich.
    »›Billy Pilgrim hat sich von der Zeit losgelöst. Billy ist als seniler Witwer schlafen gegangen und an seinem Hochzeitstag erwacht …‹«
    Mr. Peterson hörte zu. Die Musik von Mozart spielte. Ich las noch drei Seiten weiter.
    »›Das Wichtigste, das ich auf Talfamadore gelernt habe, war, dass eine Person, wenn sie stirbt, nur zu sterben scheint. Sie ist noch sehr lebendig mit der Vergangenheit verknüpft, es ist daher sehr töricht von den Leuten, wenn sie bei ihrer Beerdigung weinen. Alle Augenblicke – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – waren immer vorhanden, werden immer vorhanden sein. Die Tralfamadorianer vermögen alle verschiedenen Augenblicke ganz so zu betrachten, wie wir zum Beispiel einige Bergzüge der Rocky Mountains betrachten können. Sie können sehen, wie Augenblicke fortdauern, und jeden Augenblick beobachten, der sie interessiert. Es ist nur eben eine Illusion, die wir hier auf der Erde haben, dass ein Augenblick dem anderen folgt wie Perlen auf einer Schnur, und dass, wenn ein Augenblick vorbei ist, er für immer vorbei ist …‹«
    Als ich in meiner Lesung innehielt, setzte der zweite Satz von Mozarts Klavierkonzert ein. Mr. Petersons Augen waren geschlossen. Seine Atmung hatte sich verlangsamt, wie es im Tiefschlaf üblich ist. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis er starb.
    Am nächsten Morgen holte ich die Asche ab. Man braucht nur etwa zwei Stunden, um einen Körper einzuäschern, und bei einem vorbereiteten assistierten Suizid, der anständig dokumentiert wurde, liegt der Totenschein gleich vor, gemeinsam mit einer Genehmigung zum Einäschern. Der untersuchende Arzt muss nur den Tod feststellen und überprüfen, ob die Dokumente in Ordnung sind, was bei Mr. Peterson der Fall war. Da stand alles schwarz auf weiß: die Absichtserklärung, eine Kopie des Ausweises, um seine Identität zu bestätigen, die unterzeichneten Zeugenaussagen von Linus, Petra und Dr. Reinhardt. Tod und Todesursache zu bescheinigen, war eine Sache von wenigen Minuten. Wenn ich nicht so ausgelaugt gewesen wäre, hätte ich die Asche vermutlich noch am selben Nachmittag holen können.
    Stattdessen ging ich ins Hotel und schlief zwölf volle Stunden lang. Als ich aufwachte, war es draußen dunkel. Es musste so gegen drei Uhr morgens sein. Meine innere Uhr war völlig aus dem Gleichgewicht geraten, doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Anzeichen für einen bevorstehenden Anfall wahrgenommen. Ich befand mich immer noch in einer Art Blase. Entweder kam mir nichts komisch vor oder alles. Ich konnte mich nicht entscheiden.
    Ich hatte immer noch nicht geweint, obwohl Petra darauf beharrt hatte, ich solle es tun. Sie meinte, ich solle alles herauslassen, denn es gebe keinen Grund, noch länger stark zu sein. Ich sagte ihr die Wahrheit: Ich versuchte gar nicht, stark zu sein. Mir war einfach noch nicht nach Weinen zumute.
    Meine Morgenmeditation führte ich an genau derselben Stelle durch wie gestern. Dort hatte sich nichts verändert. Dieselben Schwäne schwammen auf dem See, dieselben Fliederbäume verströmten ihren Duft. Der einzige Unterschied war, dass die Meditation nicht funktionierte. Beim Meditieren muss man seinen Geist von allem Überflüssigen befreien, aber mein Geist war bereits leer. Es gab nichts, wovon ich ihn hätte befreien können.
    Also ging ich nach etwa einer halben Stunde zurück ins Hotel und fing an zu packen. Ich hatte nur noch mein eigenes Gepäck. Mr. Petersons Sachen waren an das Rote Kreuz gegangen.
    Ich checkte kurz vor acht Uhr morgens aus. Am Empfang stand derselbe Rezeptionist, der uns vor drei Tagen begrüßt hatte, derjenige, der sich geweigert hatte, deutsch mit mir zu sprechen.
    »Where is Mr. Peterson?«, fragte er mich. Ich fand, das war eine merkwürdige Frage. Er hatte doch gewiss gesehen, dass mein Zimmer eine Nacht länger gebucht war als das von Mr. Peterson.
    » Herr Peterson hat gestern ausgecheckt «, erwiderte ich auf Deutsch.
    Ich war um neun am Krematorium, gleich als es aufmachte. Alles war im

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