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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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oder?«
    »Nein. Meine Pflichten liegen auf einem anderen Gebiet. Es steht mir nicht zu, ihn auf die eine oder andere Weise zu beeinflussen. Seine Entscheidung sollte unabhängig von jeder Form von Druck gefällt werden. In dieser Beziehung habe ich keinerlei Gewissensbisse. Ich werde ihm rein gar nichts sagen.« Herr Schäfer nippte an seinem Wein. »Aber du musst begreifen, dass deine Situation sich von meiner grundlegend unterscheidet. Du trägst eine ganz andere Last.«
    »Meinen Sie, dass ich es ihm sagen soll?«
    »Nein, das ist allein deine Entscheidung, nicht meine. Ich will damit nur sagen, dass du über diese Sache gründlich nachdenken solltest. Der morgige Tag wird sehr schwer für dich werden. Du musst vorbereitet sein. Du musst dir ganz sicher sein, dass du das Richtige tust.«
    Ich schaute durch das angrenzende Wohnzimmer und durch die Verandatür hinaus ins Freie. »Ich tue das Richtige«, sagte ich.
    Und ich wusste, dass dieser Gedanke – und nur dieser Gedanke – die Kraft hatte, mich durch die nächsten vierundzwanzig Stunden zu bringen. Ohne ihn wäre ich zusammengebrochen.

22 Das Haus ohne Namen
    Das Haus hatte keinen Namen und keine Nummer. Niemand wohnte hier, und niemand blieb länger als ein paar Stunden, und so war ein Namensschild überflüssig. Wenn etwas angeliefert wurde – falls jemals etwas angeliefert wurde –, nannte man es vermutlich einfach »das Haus«. Es war das einzige Haus weit und breit.
    Es stand in einem kleinen Gewerbegebiet etwa zwanzig Autominuten östlich von Zürich. Das Umfeld wurde vom Gesetz vorgeschrieben. Zwar hielt die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung eine solche Einrichtung prinzipiell für wünschenswert, aber keiner wünschte sich ein solches Haus in der eigenen Nachbarschaft.
    Daher war das Haus bewusst außerhalb der Stadt errichtet worden und stand nun zwischen Lagerhallen und kleinen Fabriken, die sich in die Ecken der Kreuzung zweier stark befahrener Autobahnen kauerten. Trotz der Lage hatte man versucht, dem Haus den größtmöglichen Anschein von Normalität zu geben. Davor befanden sich eine kleine Einfahrt, Hecken und eine schmale Veranda. Das Innere verfügte über eine Küchenzeile, ein Badezimmer und über alle Bequemlichkeiten, die man von einem Wohnhaus erwartet: zwei lange Sofas, Betten, ein runder Tisch mit vier Stühlen, Kissen, Lampen. An den Wänden hingen Landschaftsgemälde, und die großen Fenster und die Terrassentüren ließen viel Tageslicht ein. Es gab eine Stereoanlage für jene, die gerne Musik hören wollten, und sogar einen kleinen Garten mit Stauden und einem kleinen plätschernden Brunnen. Der Garten war von Büschen umgeben, aber man konnte trotzdem noch den Verkehr der Autobahnen hören, der rhythmisch brauste wie die Brandung des Meeres.
    Nachdem wir in die Einfahrt eingebogen waren, sagte mir Mr. Peterson, dass ich den Rollstuhl im Kofferraum lassen solle. Es ist wichtig für mich, dass ich laufe ,schrieb er.
    Ich nickte.
    Mit der rechten Hand stützte er sich auf eine Krücke und legte den linken Arm um meine Schulter. Auf diese Weise schoben wir uns langsam den Weg hinauf. Mr. Peterson war in der vergangenen Woche nur wenig gelaufen. Wir brauchten geraume Zeit, bis wir ankamen.
    Meine Sinne waren geschärft, so ähnlich wie in jener Nacht, in der wir aus dem Krankenhaus geflohen waren, obwohl ich auch diesmal nicht geschlafen hatte. Nachdem wir gestern Abend ins Hotel zurückgekehrt waren, hatte ich dagesessen und über Herrn Schäfers Worte nachgedacht. Um zwei Uhr morgens schaute ich auf die Uhr, und danach war ich einfach nicht mehr müde gewesen. Ich trank fünf Dosen Cola light und las mir eine Abhandlung über die fünfzigjährige Geschichte des CERN durch, die ich dort im Souvenirladen gekauft hatte. Um sechs Uhr morgens war ich bei der Erschaffung des Antiwasserstoffs in den 1990ern angelangt und immer noch nicht müde. Ich ging zum See, um meine Meditationsübungen zu machen, und erlebte den Sonnenaufgang. Außer mir war kaum jemand unterwegs – ein paar Jogger liefen vorbei, und auf dem See schwamm eine Schwanenfamilie samt Jährlingen. Die Promenade am See war von Fliederbäumen gesäumt, die gerade erblühten und die Luft mit ihrem unvergleichlichen Duft schwängerten.
    Eine erhebliche Menge Marihuana hatte Mr. Peterson bis sieben Uhr schlafen lassen. Inzwischen war ich wieder zum Hotel zurückgekehrt und half ihm, sich zu waschen und anzukleiden. Er schrieb, dass er anständig aussehen wolle. Das war

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