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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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man einen geachteten Menschen hatte, der die Lügen dem Richter überbrachte. Doch in diesem Fall gab es vierzehn Elternteile, deren Leben zerstört war und die seiner Verhandlung mit Ungeduld entgegensahen. Das war eine große Gefahr. Dazu kam, daß er selbst zwar ein geborener Lügner war, sich aber nicht vorstellen konnte, daß Simonetti ebenfalls log, obwohl dies nur allzu augenfällig war. Seine Wut und seine Enttäuschung entsprangen dem kindlichen Glauben, daß Autoritäten dazu da waren, belogen und an der Nase herumgeführt zu werden, daß Autoritäten ihrerseits jedoch gerecht zu sein hatten. Obwohl er die Gefahr witterte und den Betrug sah, fiel es ihm schwer, von dieser Überzeugung abzurücken. Doch wenn er das nicht tat und seine Verteidigungsstrategie entsprechend anpaßte, war er erledigt. Nach Ansicht des Maresciallo war sich der Verdächtige dessen bewußt und hatte daher den Sinn von Ferrinis Vorschlag erkannt. Doch dieser Vorschlag Ferrinis konnte auch ein Trick sein… »Und was soll ich den Eltern sagen?«
    »Nein, nein…«
    Der Maresciallo sprach laut vor sich hin. Was immer auch der Grund dafür sein mochte, daß der Verdächtige den Vorschlag, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren, nicht heftiger ablehnte – daß er schuldig war, glaubte er trotzdem nicht. Vielleicht hatte der Mann ja noch etwas anderes zu verbergen. In seinem Alter reichte schon eine Verurteilung für ein weniger schweres Delikt als vierzehnfachen Mord aus, damit er das Tageslicht niemals wiedersah. Was immer er getan haben mochte – dies war vermutlich der Grund dafür, daß er seine voyeuristischen Neigungen leugnete. Eine vernünftige oder nützliche Lage war das nicht. Voyeuristische Neigungen wären ein akzeptabler Grund, ein glaubwürdiger Grund für seine nächtlichen Streifzüge durch einsame ländliche Gegenden, selbst wenn man ihn einem besseren Zeugen als Nenci gegenüberstellte. Hunderte von solchen Männern waren jeden Samstagabend unterwegs, und Voyeure wie der Verdächtige gingen ihrer Neigung in Gruppen nach. Seine Neigung zu gestehen und den Rest seiner Bande als Zeugen aufzubieten, das konnte ihn retten. Aber er leugnete, und Nenci leugnete ebenfalls. Was immer hier verheimlicht wurde, anscheinend war es dem Verdächtigen das Risiko wert, als Ungeheuer verurteilt zu werden. Er war nicht das Ungeheuer und hätte folglich freigesprochen werden müssen, weil es keine Beweise gab. Diese andere Geschichte, die er hätte erzählen müssen, um sich vor den falschen Anschuldigungen zu befreien, mußte sehr ernst sein… »Diese Videos…«
    Die Antwort, das spürte der Maresciallo instinktiv, lag in dieser Richtung, doch er bekam sie nicht zu fassen.
    »Zwanzig Prozent wovon?«
    »Keine Ahnung.«
    Er schlug mit der Hand auf den Tisch. Es hatte keinen Zweck, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn sie weitermachten, würde schon irgend etwas herauskommen. Er schlug die Akte von 1968 auf und versuchte sich auf seine eigene Ermittlungsarbeit zu konzentrieren. Es verging fast eine halbe Stunde, bis er einsah, daß dies unmöglich war. Er hatte schon früher ganz allein gearbeitet, doch sosehr er sich auch gemüht, nutzlose Listen geschrieben, gemurrt und das Zutrauen zu sich selbst verloren hatte, wie bei diesem Fall war es nie gewesen. Wenn er nun darüber nachdachte, wußte er nicht mehr, wie das alles gekommen war. Irgendwie hatte es von allein angefangen und war dann aus eigener Kraft immer weitergegangen. Ganz gewiß hatte er sich niemals bewußt dafür entschieden, die Wahrheit in diesem Fall zu suchen. Doch ganz gleich, wie und warum es so gekommen war, Ferrini war unauflöslich damit verbunden. Bacci zu verlieren war ein Schlag gewesen, denn er hatte nützliche Informationen, Bücher und Notizen geliefert. Und ohne seine Liste der Symptome wäre er nicht ausgekommen. Ferrini jedoch war etwas anderes. Eben weil Ferrini dem Maresciallo nicht gegenübersaß, die zehnte brennende Zigarette in der Hand und im Begriff, eine seiner Geschichten zu erzählen, um den Maresciallo am Weitermachen zu hindern, kam der Maresciallo nicht weiter. Die vor ihm liegenden beschriebenen Blätter blieben nur beschriebene Blätter, die Notizen nur Notizen, die Liste bedeutungslos. Die Bestandteile waren da, aber nichts passierte. Der Maresciallo versuchte sich zu erinnern, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen waren, doch es gelang ihm nicht. Er dachte an ihre gemeinsamen Mahlzeiten, ihre Geschichten, die Rauchwolken, an

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