Das Ungeheuer von Florenz
drei von hier und drei von dort sein werden.«
Das war vielleicht die Erklärung für die Verlegenheit und den Zorn des Capitano.
»Ich tue mein möglichstes, um Sie nicht zu enttäuschen.«
»Tun Sie nur Ihr möglichstes bei dem Fall, und machen Sie sich um mich keine Sorgen. Wunder werden von Ihnen nicht verlangt, darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.«
»Freut mich, das zu hören, wenn ich bedenke, wie wenig ich von derlei Dingen verstehe. Ich war ja noch nicht einmal hier, als es anfing.«
»Wir alle wissen sehr wenig, Maresciallo. 1927 war das letzte Mal, daß in Italien etwas passierte, was immerhin eine entfernte Ähnlichkeit mit diesem Fall hatte, und eine Glanzleistung hat die Polizei damals nicht geboten.«
»Sie haben also wenig Hoffnung, daß trotz der neuen Entwicklungen irgend etwas dabei herauskommt?«
»Das will ich nicht sagen. Ich weiß es nicht, und das ist die Wahrheit.«
Wieder erhob er sich, wollte das Gespräch zweifellos beenden. Der Maresciallo stand auf und folgte ihm zur Tür.
»Man erwartet Sie morgen früh um acht.«
Das kurze Schulterklopfen, das diese Worte begleitete, war spürbar freundschaftlich gemeint, doch während er dem hinausgehenden Maresciallo nachsah, färbte sich sein Gesicht dunkelrot vor Zorn.
»Sag den Jungs nichts davon.«
»Herrgott, Salva, es würde mir doch nicht im Traum einfallen, über so etwas mit den Jungs zu sprechen.«
Trotzdem schaute auch Teresa beunruhigt zu der Tür, durch die sie, kaum hatte es aufgehört zu regnen, hinausgeschlüpft waren. Die weiße Sonntagsdecke lag noch auf dem Tisch, und sie hatte gerade die Teller abgeräumt und den Kaffee geholt. »So eine häßliche Geschichte…«
Sie sprach nicht weiter, doch der Maresciallo wußte, was in ihr vorging. Zu der Zeit, als die Mehrzahl der Morde verübt wurde, hatte sie noch in Sizilien gelebt, doch die Zeitungen des ganzen Landes hatten den makabren Fall von Mord und sexueller Verstümmelung weidlich ausgeschlachtet. All dies hatte er nun in ihr Haus gebracht, so dachte sie, und er konnte es ihr nicht verübeln. Er wollte ja selbst nicht, daß die Jungs davon erfuhren.
»Die Zeitungen werden natürlich voll davon sein«, sprach sie weiter, »und im Fernsehen wird man auch ständig darüber berichten. Zwangsläufig werden sie Fragen stellen.«
»Das macht ja nichts, solange sie nicht wissen, daß ich an dem Fall arbeite. Keine Angst, mein Name kommt sowieso nicht in die Zeitungen. Warum ich? Das möchte ich immer noch wissen. Es ergibt keinen Sinn, aber irgendeinen Grund muß es haben. Sie haben die Namen ja nicht aus dem Hut gezogen. Maestrangelo sagte, im Präsidium selbst habe man die Entscheidung getroffen, aber er sah zornig aus.«
»Und du hast wohl keine Ahnung, warum.«
Er sah sie erstaunt an. »Willst du damit sagen, du schon?«
»Ich will sagen, vielleicht wäre er selbst gern in die Sonderkommission geholt worden. Und wenn man ihn aus irgendeinem Grund übergangen hat…«
»Nein, nein…«
»Er ist doch auch nur ein Mensch.«
Der Maresciallo nippte schweigend an seinem Kaffee und überlegte. Er war ein großer Bewunderer von Capitano Maestrangelo und sah bei ihm alles, was ihm selbst fehlte: Intelligenz, Bildung, rednerische Begabung. Über ihn als Mensch hatte er nie viel nachgedacht. Teresa natürlich schon, so war sie nun mal. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, meinte sie, Maestrangelo sei ein gutaussehender Mann, für Frauen attraktiv, oder könnte es zumindest sein, wenn er lächeln würde. Derlei war dem Maresciallo nie in den Sinn gekommen – aber Maestrangelo lächelte ja auch nie. Er war ehrgeizig, das schon… Und trotzdem… »Nein, nein…«, sagte er noch einmal. »Er ist ehrgeizig, er wird als General aus dem Dienst ausscheiden, da bin ich mir ganz sicher, aber so zuverlässig er als Ermittlungsbeamter auch sein mag, auf diesem Gebiet liegt sein Ehrgeiz nicht. Außerdem scheint mir, daß dieser Fall, sosehr ich das bedaure, zu keinem Ende kommt. Die vielen Jahre, die schon vergangen sind, und nie auch nur ein Indiz. Nein, nein, er ist nicht der Mensch für riskante oder ungewöhnliche Unternehmungen.«
»Na dann… Aber dann verstehe ich auch nicht, warum man dich ausgewählt hat.«
»Der Capitano sagte: ›Wir haben die Entscheidung getroffen.‹ Er hat das ›wir‹ besonders betont. Als übernahm er die Verantwortung, obwohl es ihm nicht sonderlich gefiele. Es liegt eigentlich in der Entscheidungsbefugnis des Colonnello,
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