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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Er hatte vergessen, den jungen Landini anzurufen. Mist! Es ging ihm gegen den Strich, ein Versprechen nicht zu halten. Und nicht nur das, er hatte über dem neuen Fall auch vergessen, den Capitano wegen des Problems mit dem Bild anzusprechen. Und in der Bar hatte er einen Kuchen gekauft, einen teuren Kuchen, und nicht abgeholt. Soviel zu dem Vorsatz, seine fünf Sinne beisammenzuhalten. Es fing ja gut an. Morgen früh mußte er sich zusammenreißen. Ob es das Unbehagen beim Gedanken an den kommenden Morgen oder seine Verärgerung über sich selbst und seine Vergeßlichkeit war oder einfach der viele Kaffee, den er getrunken hatte, irgend etwas ließ ihn bis in die frühen Morgenstunden keinen Schlaf finden. Am nächsten Morgen um acht war er eher noch unkonzentrierter und schweigsamer als gewöhnlich.
    Es war nicht annähernd so schlimm, wie er befürchtet hatte. Zunächst einmal hatte er es nicht mit einer Gruppe völlig Fremder zu tun. Er kannte die beiden anderen Carabinieri, das war das erste, was er erleichtert feststellte. Einer der beiden, Ferrini, war ein Mann in seinem Alter, mit dem zusammen er einmal an einem Fall gearbeitet hatte, und trotz ihrer Verschiedenheit waren sie gut miteinander ausgekommen. Den anderen, Bacci, kannt er fast so gut wie seine eigenen Kinder, weil er sein Untergebener im Palazzo Pitti gewesen war, während er auf einen Platz an der Offiziersschule wartete. Bacci mußte inzwischen kurz vor der Beförderung zum Capitano stehen, doch sein Gesicht war so jungenhaft und naiv wie eh und je, und war er nicht ein bißchen zu jung, um an einem solchen Fall mitzuarbeiten? Und der junge Mann von der Zivilpolizei, der ihm gegenübersaß, wirkte ebenfalls noch wie ein Bub. Das bedeutete vermutlich, daß der Maresciallo alt wurde. Man durfte auch nicht vergessen, daß die jungen Leute heutzutage über Spezialkenntnisse verfügten, mit Computern umgehen konnten und so weiter. Der Gedanke, daß sie dabeisein mochten, weil die Aufgabe Beweglichkeit und Mut erforderte, schoß ihm nur kurz durch den Kopf, doch er wollte es lieber bei den »Computern und so weiter« belassen, mit denen ein ganzes Gebiet ermittlerischer Tätigkeit abgedeckt und abgetan war, dem er mit übertriebenem Respekt und völligem Desinteresse gegenüberstand.
    Der Maresciallo ließ den Blick über die zwei anderen, ihm gegenübersitzenden Männer von der Polizei wandern. Beide Gesichter kannte er, konnte ihnen aber keinen Namen zuordnen. Der eine Mann war ungefähr in seinem Alter, und als er den Blick des Maresciallo einfing, bedeutete er ihm mit einem leichten Nicken, daß auch er ihn wiedererkannt hatte. Dann schaute er wieder zu Staatsanwalt Simonetti nach vorn, der einen jener Vorträge hielt, die freundlich und improvisiert klingen sollten, aber sorgfältig vorgeplant und einstudiert waren. Wie hieß der Mann noch mal? Di Maira, genau. Sie hatten vor Jahren einmal miteinander zu tun gehabt. In dem anderen erkannte er einen knallharten und erfahrenen Beamten. Müßig, darüber nachzusinnen, warum der hier war. Sein Name fiel dem Maresciallo trotzdem nicht ein.
    Der Raum war überheizt, und ein Großteil der Männer hatte sich Zigaretten angezündet. Der Maresciallo zog sein großes weißes Taschentuch hervor und betupfte sich damit unauffällig die empfindlichen Augen, die ihm aufgrund der immer dichter werdenden Rauchwolken und des fehlenden Schlafs brannten.
    Trotzdem war ihm nicht so unbehaglich zumute, wie er es erwartet hatte, und er entspannte sich ein wenig, während er dem pausenlos weitersprechenden Simonetti zusah. Eines war sicher: Gegen seinen Willen war der nicht hier. Sein Gesicht hatte sich während seiner Darlegungen vor Begeisterung gerötet, und es war klar, daß ihn keinerlei Zweifel über den erfolgreichen Ausgang ihrer Anstrengungen anfochten.
    Sosehr dem Maresciallo der gewandte und arrogante Mann auch mißfiel, er beneidete ihn auch. Neidete ihm sein Talent, sich stets im Recht zu fühlen – denn daß dem so war, daran zweifelte der Maresciallo nicht. Es war keine Pose, und das war auch der Grund dafür, daß er andere überzeugen konnte. Wie gelang es einem Menschen, so zu werden? Wie rechtfertigte er seine Fehler, seine Gemeinheiten und vor allem seine Ungeschicklichkeiten vor sich selbst? Vielleicht mußte man einfach dazu geboren sein. Für seine Umgebung war das natürlich kein Spaß. Wie dieser Mensch mit den Armen herumfuchtelte, wie ein Schutzmann auf der Kreuzung – das mußte eine Marotte

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