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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sein Vater, nicht? Nicht wie Sie natürlich, nicht auf demselben Niveau. Aber vielleicht haben Sie Ihre Begabung ja von Ihrer Mutter geerbt?«
    »Nein! Nicht!«
    Der Maresciallo tat einen kleinen Satz, als habe der Mann wirklich einen Schuß abgefeuert. Er hätte ihm jetzt zu gern ins Gesicht gesehen, tat es aber nicht.
    »Tut mir leid. Soll ich mir diese Gefäße nicht ansehen? Ich habe nichts angefaßt…«
    »Nein, nein, ist schon gut.«
    Auch wenn er sich nicht umschauen konnte, so verriet der keuchende Atem Benozzettis dem Maresciallo, daß er nun seinem Ziel nahe war. Sollte er weitergehen oder warten? Warten. Sein Rücken kribbelte, als rechnete er damit, daß sich jeden Augenblick Klauen hineinschlagen könnten. Gefährlich. Er hatte von Anfang an gewußt, daß der Mann gefährlich war, und trotzdem war er unbewaffnet hierhergekommen. Hinter ihm ließ sich die Stimme wieder vernehmen, aber es war nicht Benozzettis Stimme. Ein leiserer, schwächerer Klang.
    »Es ist mir egal. Ich brauche nicht…« Die Stimme erstarb.
    In diesem Punkt hatte er also damals auch gelogen, Marco gegenüber. Sie war wohl tot, doch wenn sie gestorben wäre, als er noch klein war, hätte er sich nicht groß daran erinnert und sicher nicht »Es ist mir egal« gesagt. Der Maresciallo wünschte sich sehnlichst, daß er sich nicht in diese Situation gebracht hätte, gefangen in diesem pompösen großen Grab mit den darin angehäuften Schätzen und einem wahnsinnigen Bewohner. Aber er war hier, und nun war es zu spät. Die Spannung des Mannes hinter ihm war unerträglich stark geworden. Lenk ihn ab. Lenk ihn ab.
    »Ach.«
    Er seufzte tief und bat seine toten Eltern stumm um Verzeihung für das, was er nun sagen würde. »Dann haben Sie vermutlich etwas Ähnliches durchgemacht wie ich. Meine Mutter ging fort, als ich noch klein war. Die übliche Geschichte, ein anderer Mann. Heute würde eine Mutter natürlich niemals ihr Kind verlassen, aber damals konnte keine Frau das Sorgerecht beantragen, wenn ihr Verhalten als unmoralisch galt. Und wir, die wir darunter gelitten haben, müssen uns bemühen, ihre Zwangslage zu verstehen, vor allem wenn« – die Narbe, die Narbe – »vor allem wenn es auch zu gewalttätigen Übergriffen gekommen ist. Wie soll eine Frau sich verteidigen?«
    »Und wie soll ein Kind sich verteidigen?«
    Es war nun nicht diese andere, kindliche Stimme, sondern die Benozzettis. Der Maresciallo drehte sich um und sah ihn an. Sein Gesicht hatte sich deutlich verändert. Die Maske, durch welche ihn die Schlangenäuglein angeschaut hatten, war verschwunden. Die angespannten Muskeln waren erschlafft. Der Maresciallo hatte nun einen gewöhnlichen Menschen vor sich oder das, was von ihm übriggeblieben war. Benozzetti wies einfach schlicht auf sein Ohr. »Es war nicht nur das, derlei Dinge waren nicht das Schlimmste, Maresciallo. Das Schlimmste war der Haß, weil ich aussah wie sie und weil ich, wie Sie klug erraten haben, ihre Begabung geerbt hatte. Seine zweite Frau haßte mich, und zwar noch mehr als er selbst.«
    »Man hat Sie also weggegeben?«
    »Das hört sich grob an, aber so war es nicht. Mein Vater war ein wohlhabender Mann und verfügte über beträchtlichen Einfluß in der pharmazeutischen Industrie. Aber nachdem ich durch diese Verletzung, bei der ich dem Tod nur knapp entronnen bin, auf dem einen Ohr taub wurde, mußte etwas geschehen. Mein Vater willigte ein, mich in ein teures Internat zu schicken, wo sich Mönche meiner annahmen, sogar während der Ferien, und wo ich keiner Verfolgung mehr ausgesetzt war.«
    »Ich verstehe. Sie müssen viel gelitten haben. Es tut mir leid, wenn ich Sie dadurch, daß ich es zur Sprache brachte, verärgert habe. Es ist nur so, daß ich, wie ich Ihnen ja schon bei unserem ersten Kennenlernen sagte, nur selten mit jemandem zusammenkomme, der so faszinierend und begabt ist wie Sie. Sie haben das wohl noch nie jemandem erzählt? Jedenfalls haben Sie es in Ihrem Schreiben für die Zeitung nicht erwähnt, obwohl Sie den Eindruck vermitteln, als wollten Sie, daß man Sie verstehe. Sollten Sie es nicht sagen – einem Menschen mit Sachverstand natürlich, nicht der Öffentlichkeit?«
    Benozzettis Miene verhärtete sich wieder, und nun sah er den Maresciallo mit verächtlich herabgezogenem Mund an.
    »Sie spielen doch nicht etwa auf einen Psychoanalytiker an? Ich hätte mehr von Ihnen erwartet. Diese Leute sind genauso töricht und arrogant wie die Kunstsachverständigen.«
    »Oh, da haben

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