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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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den Kopf zur Seite, um dem Parfumgeruch zu entgehen. »Ich wußte es. Ein vollkommener Antonio Franchi.«
    »Durchaus nicht«, korrigierte der Maresciallo ihn ruhig.
    »Er ist vollkommen, weil Sie ihn gemalt haben.«
    Er wartete auf die Antwort, doch es kam keine. Seine Bemerkung war zweideutig genug, Benozzetti zögern zu lassen. Er wußte nicht, wie er darauf reagieren sollte, daß jemand ein von ihm gemaltes Bild als vollkommen bezeichnete. Der Maresciallo wandte sich um und schaute ihm ins Gesicht. Die Schlangenäuglein glitten verunsichert von ihm ab. Der Maresciallo legte noch einmal nach. »Es ist nicht Antonio Franchi, an dem ich interessiert bin, verstehen Sie. Sie sind es.«
    Hatte Benozzetti nicht genau das immer gewollt und aus Mangel an Selbstachtung nach seinen ersten negativen Erfahrungen nicht zu fordern gewagt? »Sie haben alles Talent, Sie brauchen sich nicht hinter einem Antonio Franchi zu verstecken.«
    »Verstecken? Verstecken? Ich kann wie Franchi malen, sogar besser. Ich kann so gut malen wie Corot, wie Rembrandt, wie…«
    »Ja, Sie können malen«, sagte der Maresciallo. »Das ist richtig, obwohl Sie mir natürlich nicht zu glauben brauchen.«
    Benozzettis Blick traf nun den des Maresciallo, doch die Wucht der Realität hatte das manische Glitzern in seinen Augen zum Verschwinden gebracht.
    »Ganz im Gegenteil, Maresciallo, Sie sind ein Mann, dem man glauben muß. Obwohl ich nicht begreife, wo Sie Ihr Kunstverständnis erworben haben.«
    »Nun ja, wenn man im Palazzo Pitti arbeitet, wissen Sie…« Benozzetti hätte noch lange über diese Bemerkung nachdenken können, der Gedanke, daß der Maresciallo einfach Menschenkenntnis besaß, wäre ihm nicht gekommen, weil solche Kenntnis ihm fehlte.
    »Aber abgesehen davon«, fuhr der Maresciallo fort, »finde ich das alles faszinierend, nur ist es mir trotz Ihres großen Talents ein Rätsel, wie Sie es schaffen, einem Bild den Anschein zu geben, es sei alt. Heutzutage gibt es doch sicher viele Möglichkeiten der Überprüfung, wissenschaftliche Tests und so weiter.«
    »Wissenschaftliche Tests! Gott steh uns bei! Was glauben Sie denn, was diese Leute mir an Wissen voraushaben? Ganz abgesehen davon, daß Ihre sogenannten wissenschaftlichen Tests langwierig und teuer sind und niemand sie verlangt. Ein Kunstsachverständiger, das ist es doch, was alle brauchen, was alle im Grunde wollen. Einen Kunstsachverständigen und seine Zuschreibung, die es ihnen ermöglicht, das Kunstwerk zu verkaufen. Ums Verkaufen geht es, Maresciallo, nicht um Kunst. Und was für eine Figur macht der Kunstsachverständige, wenn er ein Bild nicht auf einen Blick beurteilen kann? Ich habe mich immer auf die Überheblichkeit meiner Experten verlassen können.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Ich würde aber trotzdem gerne wissen, wie man einem Bild den Anschein gibt, es sei alt. Immerhin muß sich doch der Staub von Jahren darauf ansammeln…«
    »Staub? Nicht Staub, Maresciallo, sondern der Staub des 15. Jahrhunderts, der Staub des 16. Jahrhunderts, der Staub des 17. Jahrhunderts! Aus welchem Grund habe ich denn Ihrer Meinung nach Restaurieren gelernt? Ich restauriere doch nicht großartige Bilder, weil ich unbekannt und unsichtbar bleiben will. Hier war Landini recht nützlich. Er brachte mir wertlose oder relativ wertlose Bilder aus seinem Bekanntenkreis, die zu niedrigen Kosten restauriert werden sollten. Die Gemälde waren nichts wert, aber der Schmutz, den ich davon abgewaschen habe, war sein Gewicht in Gold wert. Das Schmutzwasser, das ich danach hatte, hinterließ, wenn es verdampft war, Schmutz aus genau dem richtigen Jahrhundert, und diesen habe ich dann auf meine Bilder aufgetragen.«
    »Und diese feinen Risse auf Bildern?«
    Der Maresciallo spähte zu dem »Franchi«-Porträt hinüber.
    »Kochkunst, Maresciallo, reine Kochkunst. Ich backe die Bilder bei niedriger Temperatur in meinem Ofen und trage anschließend den Staub auf.«
    »Wer hat Ihnen das beigebracht?«
    »Der Künstler, der mir das Restaurieren beigebracht hat. Ein übellauniger Mensch, der sich wie alle anderen auch an meiner Arbeit finanziell bereichert hat. Leute, die wertlose Bilder besitzen, die ihnen ans Herz gewachsen sind, wünschen sich, daß man die beschädigten Teile restauriert und ›altern‹ läßt. Und von dort bis zur Herstellung eines ganzen Bildes, das man ›altern‹ läßt, ist es nur ein kleiner Schritt.«
    »Ja, ich verstehe.«
    Der Maresciallo wollte sich aber nicht an das Wie,

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