Das Ungeheuer von Florenz
Sie sicher recht. Aber es könnte Ihnen trotzdem auf irgendeine Weise nützen, auch wenn Sie selbst es nicht so ernst nehmen. Das Geständnis, das Sie veröffentlicht haben, ist schließlich…«
»Das war kein Geständnis! Habe ich es Geständnis genannt? Bin ich für die Idiotien der Zeitungsleute verantwortlich?«
»Natürlich nicht.«
Benozzetti war also wieder in seiner normalen Verfassung.
»Das hatte ich nicht bedacht. Es war ja auch nur eine Überschrift. Und trotzdem wird es Reaktionen darauf geben, und falls man Sie strafrechtlich verfolgt…«
Benozzetti lachte bitter. »Wie wenig Sie von diesen Dingen verstehen, Maresciallo. Wer soll denn Ihrer Meinung nach den ersten Stein werfen? Das Auktionshaus? Glauben Sie etwa, dort wird man zugeben, daß eine Fälschung durch ihre Hände gegangen ist? Dann würde doch kein Mensch mehr dort etwas kaufen. Oder etwa der Käufer? Erwarten Sie, daß er zugeben wird, fünfzig Millionen für ein falsches Bild ausgegeben zu haben? Ich weiß, wer dieser Käufer ist, obwohl er bei der Auktion nicht persönlich zugegen war, und ich kann Ihnen Brief und Siegel darauf geben, daß er niemals zugeben wird, daß man ihn zum Narren gehalten hat.«
Darauf wußte der Maresciallo nichts zu erwidern. Er war sich immer noch sicher, daß es das echte Bild gewesen war, aber welchen Unterschied machte das eigentlich? Wenn es echt war, dann war das vor Jahren dem amerikanischen Museum verkaufte Bild eine Fälschung, und die Argumente blieben dieselben. Und wollte er nicht wie alle anderen einfach um Marcos willen glauben, daß das Bild echt war? Sie saßen doch alle in einem Boot.
»Nun, Maresciallo?«
»Ich kann nachvollziehen, was Sie da sagen.«
»Es freut mich, das zu hören, denn Ihr junger Freund Marco wird doch ebenfalls nicht den ersten Stein werfen, oder?«
»Nein, ich glaube nicht. Was aber ist mit dem Museum in Amerika? Das Bild, das sich dort befindet, wird man jetzt sicher prüfen wollen?«
»Ha! Als ich meine kleine Anklage vorbereitete, habe ich dorthin geschrieben und sie aufmerksam gemacht, daß eine weitere Version des Bildes demnächst in Florenz veräußert wird, und habe ihnen das Foto von mir und dem dritten Exemplar beigelegt, das Sie in der Zeitung gesehen haben. Was, glauben Sie, hat man mir geantwortet?«
»Ich weiß es nicht. Hat man zusätzliche Beweise gefordert?«
»Zusätzliche Beweise! Das ist ja genau das, was sie nicht wollen, zusätzliche Beweise! Beweise für ihre Dummheit, ihre Ahnungslosigkeit, ihre zum Fenster hinausgeworfenen Dollars? Das Museum hat mir gar nicht geantwortet, Maresciallo. Bei diesem Thema werden sie nie jemandem antworten. Sie werden es tiefer hängen, stillschweigen, bis der Sturm sich gelegt hat, und ihr ›Antonio Franchi‹ wird bleiben, was er ist. Sie werden sehen: Jedes Bild, das ich je gemalt habe, wird bleiben, wo es ist, ganz gleich, ob in einem Museum oder einer Privatsammlung.«
»Wenn das so ist…«
Er durfte nun keinen Fehler machen. »Wenn das so ist, warum haben Sie dann aufgehört? Sie haben das doch getan, weil Sie aufgeben, nicht wahr? Aber warum? Was wollen Sie tun?«
»Tun? Ich werde das tun, wonach mir zumute ist. Ich brauche das alles doch nicht!«
Benozzetti fuchtelte aufgeregt mit der Hand herum. »Ich brauche nichts. Und niemanden.«
»Landini haben Sie aber doch gebraucht.« Das war es. Das war die Erklärung.
»Landini! Ein Kritiker! Auch nur so ein Dummkopf! Er hat mich für seine Karriere benutzt.«
»Ja, sicher.«
»Ich sage Ihnen was, dieser Mensch…«
»Er hat Sie verstanden, nicht?«
»Niemand kann mich oder mein Werk verstehen.«
»Gut. Aber soweit es möglich ist, hat er Sie verstanden. Er hat Ihnen gesagt, was Sie malen sollen, nicht wahr?«
»Niemand sagt mir, was ich malen soll.«
»Gut, hat er also Vorschläge gemacht.«
»Wenn Sie damit sagen wollen, daß er den Markt kannte, ja, in diesem Sinne hat er Vorschläge gemacht.«
Ja, dachte der Maresciallo, und ich darf nicht sagen, daß er die Kunden kannte und Sie nicht. Ich darf nicht sagen, Sie sind auf die Nase gefallen, weil er nicht da war, Sie aufzufangen.
»Und nun ist er tot. Sie haben gewiß Ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und können sich mit dem gleichen Recht zur Ruhe setzen wie jeder von uns.«
»Genau.«
Was würde er tun? Als Gescheiterter weiter in dieser Gruft wohnen? Der Maresciallo erschauderte. Er setzte die Mütze auf, um zu gehen, blieb aber noch einmal stehen. Ohne Benozzetti anzusehen,
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