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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sondern an das Warum herantasten. Die Eiseskälte des Ateliers spürte er schon nicht mehr.
    »Aber trotzdem«, machte er vorsichtig den nächsten Schritt, »ist es schwer zu verstehen, warum jemand wie Sie seine Zeit auf etwas verwendet, wofür er keine Anerkennung findet. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie ein Mensch sind, der nur auf seinen finanziellen Vorteil bedacht ist. Leben wird man schon davon können, aber, wie ich sehe, nicht gerade üppig…«
    Der Maresciallo ließ den Blick durch den Raum schweifen, der so gar nichts Behagliches hatte, und zum Schluß demonstrativ auf dem Wandschirm ruhen, der das Bett halb verdeckte.
    »Leben!«
    Benozzetti, sein Gesicht vor Zorn gerötet, machte ein paar schnelle Schritte, um dem Maresciallo die Sicht auf die kleine private Ecke zu versperren. »Von der Malerei mögen Sie ja etwas verstehen, mein lieber Maresciallo, aber von der kommerziellen Seite haben Sie offenbar keine Ahnung. Wenn ein Hofporträt wie das von Franchi gestern fünfzig Millionen eingebracht hat, was habe ich dann Ihrer Meinung wohl bei einem Rembrandt verdient?«
    »Oh, ja, schön, ich verstehe.«
    »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich am Erwerb von bürgerlichem Eigentum interessiert bin, an Möbeln und allen möglichen sonstigen Äußerlichkeiten? Bilder habe ich mir gekauft, gute Bilder, großartige Bilder, denn ich erkenne, was ein gutes Bild ist, wenn ich eines sehe.«
    »Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.«
    Folglich hatte er bei seinem »Geständnis« gelogen. Und vermutlich ein Vermögen verdient. Dies führte aber auf Abwege. »Ich spreche aber eigentlich nicht von Geld. Ich glaube, ich kann nachempfinden, wie entmutigt Sie waren, als Sie sahen, daß niemand Ihre Arbeiten zu würdigen wußte.
    Ich könnte mir denken, dieser Professor, von dem Sie mir erzählt haben, hat da eine Menge auf dem Gewissen.«
    Während er sich beharrlich vorantastete, wurde sein Gesicht immer ausdrucksloser, bis er fast nicht mehr anwesend zu sein schien. Benozzetti, der in Fahrt gekommen war, schien den Maresciallo nun zu vergessen und laut vor sich hin zu schimpfen.
    »Sie haben mich ausgelacht, diese nichtsnutzigen, unerfahrenen Studenten, die zu nichts anderem taugen als dazu, Schulkindern das Herumklecksen mit Farbe beizubringen. Und zwar seinetwegen ausgelacht, dieses Professors wegen, des Mannes, der mich hätte unterrichten und mir etwas beibringen sollen. Des Mannes wegen, der, hätte er meine Begabung verstanden, wie Verrocchio den Pinsel weggeworfen und nie wieder etwas gemalt hätte. Aber ich habe sie dafür bezahlen lassen, alle, mit ihrem Scheckbuch habe ich sie dafür bezahlen lassen und dadurch, daß ich sie zum Narren gehalten habe, dadurch, daß ich mich mein Lebtag auf ihre Kosten amüsiert habe, dadurch…«
    »Wann ist Ihr Vater gestorben?«
    »Was?«
    Benozzetti stockte und atmete schwer, plötzlich nahm er die Anwesenheit des Maresciallo wieder wahr.
    Der Maresciallo schlenderte von ihm fort und ließ den Blick prüfend über die Arbeitstische und Regale mit den Pinseln, Flaschen, Stößeln und sonderbaren Werkzeugen gleiten, deren Verwendungszweck er nicht kannte. Er betrachtete alles, rührte aber nichts an, seine großen Hände umfaßten immer noch seine Mütze.
    »Ach, Sie verstehen schon. Ein so interessanter und begabter Mensch wie Sie, da fragt man sich doch, wo das alles herkommt. War Ihr Vater vielleicht Maler – das hier, was ist das?«
    »Asche. Zur Herstellung von Tinte.«
    »Aha.«
    Der Maresciallo wanderte weiter und sah alles an – nur Benozzetti nicht, der ihm verunsichert nachging und stellte Fragen, ohne die Antwort abzuwarten. Wenn er mit einer Frage ins Schwarze traf, das wußte er, würde er die Antwort nicht abzuwarten brauchen. Benozzetti würde dann reagieren wie ein verwundetes Tier. Das Herz des Maresciallo schlug schnell, er nahm es deutlich wahr in dem langen, stillen Raum, als fürchtete er, die Reaktion könnte gar ein tätlicher Angriff sein und kein verbaler. Ihm ging sogar die bange Frage durch den Kopf, ob der Mann vielleicht zum Schutz vor möglichen Einbrechern eine Pistole neben seinem Bett aufbewahrte, doch es war zu weit bis zum Bett, als daß er beiläufig daran vorbeigehen konnte. Außerdem stand dort ja der Wandschirm. Der Maresciallo selbst war nicht bewaffnet.
    »Ich weiß gar nicht, wieso ich auf einmal auf Ihren Vater komme – vielleicht deshalb, weil ich an den jungen Marco Landini dachte. Er ist künstlerisch veranlagt wie

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