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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sagte er: »Das Bild, das Sie mir bei meinem letzten Besuch gezeigt haben, würden Sie mir erlauben, es mir noch einmal anzusehen?«
    »Damit Sie behaupten können, es sei kein Tizian?«
    »Nein, nein…«
    »Damit Sie sagen können, es sei fehlerfrei? Das ist es nicht. Ich habe es zerstört.«
    »Aha.«
    Als der Maresciallo ging, vermied er es, Benozzetti ins Gesicht zu schauen, wollte nicht sehen, was sich darin spiegelte. Er berührte ihn beim Hinausgehen nur flüchtig am Arm.
    Es begann zu dämmern, und wenn es draußen kälter war als in dem Atelier, so lag das nur an dem eiskalten Wind. Benozzetti würde sich nicht umbringen, dessen war sich der Maresciallo sicher. Wenn er zu den Menschen gehörte, die die Schuld für ihr Scheitern bei sich selbst suchten, hätte er das schon als junger Mann getan, als der junge Mann, der als Maler gescheitert war. Was würde aus ihm werden? Vielleicht nur, um sich selbst aufzumuntern, murmelte der Maresciallo, als er die Autotür aufmachte und ihm ein willkommener Luftstrom von der Heizung entgegenschlug: »Vielleicht versucht er sich ja als Maler.«
    »Was?« fragte Di Nuccio.
    »Nichts, nichts.«
    »Ich habe den Motor angelassen – es ist so kalt.«
    »Das haben Sie richtig gemacht.«
    Jedenfalls hatte er alles herausgefunden, was er wissen mußte. Der Grund, weswegen er es wissen mußte, war ihm jedoch nicht bewußt, und der Maresciallo gehörte nicht zu denen, die sich selbst Fragen stellten.
    18
    »Ich frage mich nur, was…«
    Es war immer schwierig, Ferrini etwas zu erklären. Erklären war sowieso nicht die Stärke des Maresciallo, und außerdem wußte man nie, in welcher Stimmung sich Ferrini gerade befand. »Ich will sagen, in der Pubertät hat man es schon schwer genug. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern.«
    »Na klar doch. Ich hab dauernd an Sex gedacht, Tag und Nacht.«
    Der Maresciallo, bis zum Platzen voll von dem Abendessen auf dem Lande, wo sie nicht länger geblieben waren als bis elf, schien sich vielmehr daran zu erinnern, daß er dauernd ans Essen gedacht hatte. Die Hälfte seiner Jugendzeit hatte er auf der Suche nach etwas Eßbarem zugebracht und die andere Hälfte mit der bangen Frage, ob er zu dick sei. Doch das wollte er nicht verraten.
    »Wie wäre Ihnen denn zumute gewesen, wenn Sie gewußt hätten – gewußt, nicht vermutet –, daß Ihr Vater homosexuell ist?«
    »Ich wäre entsetzt gewesen.«
    »Genau.«
    Sie schauten auf die drei Fotografien in der Akte, die aufgeschlagen auf dem Schreibtisch des Maresciallo zwischen ihnen lag.
    »Sie haben Nicolino zu ihren Orgien in den Cascine-Park mitgenommen«, sagte der Maresciallo. »Als er älter war, hat er es dann erfahren, oder es ist ihm bewußt geworden. Und nach allen Aussagen, die wir haben, hat Amelio es im Haus miterlebt.«
    »Und Salvatore Angius? Über ihn wissen wir weniger, aber wir wissen doch, daß Silvano ihn in der Gosse aufgelesen und wie einen Sohn behandelt hat. Da ist die Situation anders, und wer wollte behaupten, daß er wirklich homosexuell war? Kann gut sein, daß er so für Silvanos Hilfe zahlen mußte.«
    »Das hat sich Di Maira auch gefragt. Das ist auch ein guter Grund, ihn zu hassen. Die Ausgangslage ist also bei den drei jungen Männern gleich, kommt noch dazu: Amelio und Salvatore sind vorbestraft, wegen Diebstahls, des Besitzes von Klappmessern, illegalen Waffenbesitzes… und deswegen!«
    Ferrini zog die Fotokopie eines Zeitungsartikels hervor, in dem berichtet wurde, daß Salvatore Angius mit zwei anderen Männern wegen eines bewaffneten Raubüberfalls festgenommen worden war.
    »Nein«, sagte er, als er den Maresciallo den einspaltigen Artikel einmal und dann ein zweites Mal überfliegen sah.
    »Welche Waffe dabei verwendet wurde, steht nicht drin, und ich dachte, wenn ich die Akte anfordere, strecke ich womöglich den Kopf zu weit vor.«
    »Das war richtig.«
    »Aber sehen Sie sich mal das Datum an.«
    »Nur drei Monate nach dem Mord von 1968.«
    »Glauben Sie immer noch, daß er am Tatort war?«
    »Ich kann es nicht beweisen. Aber wenn er das Kind weggebracht hat, um Silvano zu schützen, kann er auch die Waffe mitgenommen haben.«
    »Es wäre aber ziemlich dumm gewesen, die Waffe bei einem Raubüberfall zu benutzen, wenn sie für einen Mord verwendet wurde«, gab Ferrini zu bedenken.
    »Vielleicht hat er ja keinen Schuß damit abgefeuert und hatte das auch nicht vor. Abgesehen davon, für meine Begriffe ist er nicht besonders klug oder helle. Er wurde

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