Das Ungeheuer von Florenz
Sie. Welchen Rat gibt Ihnen denn der Maresciallo?«
»Zu verkaufen.«
»Na bitte, da hören Sie's! Es ist ein ausgezeichnetes Bild. Die Marchesa Anna Caterina Luisa dei Gherardini als Flora. Es ist vollkommen. Verkaufen Sie's. Sie können das Geld brauchen.«
Er sieht aus, als habe er Fieber, dachte der Maresciallo, und scheint zu aufgeregt, um lange in einem Raum verweilen zu können. Es gab nichts mehr, das er mit seinen Schlangenäuglein hätte fixieren können außer den Maresciallo oder das Porträt.
»Ich muß gehen. Ich habe viel zu tun.«
»Natürlich.«
Marco beeilte sich, Benozzetti die Tür aufzuhalten. »Die Auktion…«
»Ich werde da sein.«
Er ging, ohne sich vom Maresciallo zu verabschieden; vor Aufregung hatte er seine guten Manieren vergessen. Der Maresciallo blieb schweigend stehen, wo er war. Er bemerkte, daß Benozzetti seinen Hut schon aufsetzte, ehe er ganz zur Tür hinaus war, und daß er ihn leicht nach links rückte, so daß er einen Teil der Narbe verdeckte und einen Schatten über das verstümmelte Ohr warf. Vielleicht doch nicht ganz nur alten Zeiten verpflichtet.
Er hatte auch bemerkt – Marco gegenüber brachte er das allerdings nicht zur Sprache –, daß Benozzetti den Namen Antonio Franchi kein einziges Mal ausgesprochen hatte und nicht einen Blick auf das Porträt geworfen hatte.
»Oh, Salva, nein!«
»Ich kann nichts dafür.«
»Aber an Weihnachten.«
»Es ist nicht meine Schuld, und ich finde, es bringt nichts, darüber zu reden.«
»Du findest, es bringt nichts? Seit dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, wären wir zum ersten Mal über Weihnachten getrennt, sogar als ich noch zu Hause war und du hier, haben wir Weihnachten immer gemeinsam verbracht, und du findest, es bringt nichts, darüber zu reden?«
Teresa war fest entschlossen, darüber zu reden, und zwar ausführlich. Die Jungs waren draußen und kauften auf der Piazza ein paar Weihnachtsgeschenke ein, die noch geheim bleiben sollten. Der Maresciallo hatte einen strategischen Fehler gemacht. Er hätte es Teresa sagen sollen, als die Kinder zu Hause waren, denn sie stritt sich nicht gern in ihrem Beisein. Andererseits hatte er nicht damit gerechnet, daß es zum Streit kommen würde. Er hatte Mitgefühl erwartet und verstand beim besten Willen nicht, was er getan hatte, um diesen Zorn auf sich zu ziehen.
»Warum kann dich nicht jemand vertreten? Ein Kollege, der seine Familie hier hat und nicht allein wäre?«
»Ach, Teresa, du weißt doch, das ist ein spezieller Fall.«
»Speziell, allerdings, wenn das heißt, wir sollen ohne dich fahren, und du verbringst deine Weihnachten hier mutterseelenallein. Das nenne ich wirklich speziell! Diese Geschichte ist sowieso der reinste Humbug!«
»Was?«
»Diesen Mann, wie immer er heißen mag, zu verhaften. Den hätte man doch schon vor Jahren verhaftet, wenn er es gewesen wäre.«
»Teresa!«
»Er ist doch nur ein alter Mann. Es gibt keine Beweise.«
»Die zu finden ist unsere Aufgabe. Bist du nicht ein bißchen unvernünftig?«
»Natürlich bin ich unvernünftig. Und was bist du? Einen alten Mann zu verhaften, nur damit man etwas vorweisen kann, und dann dieses Foto in allen Zeitungen groß herausbringen, wo Kinder es sehen können.«
Je mehr sie sich erregte, desto ruhiger wurde er. So war es immer. Jetzt flüsterte er nur: »Das wirfst du doch hoffentlich nicht mir vor.«
»Ich werfe dir vor, daß du unsere Weihnachten ruinierst.«
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Beschließen, daß er nicht schuldig ist, um das Weihnachtsfest nicht zu verderben?«
»Was du tust, ist mir egal, ich jedenfalls werde, wenn du weiterhin diesen schrecklichen alten Mann verfolgst, hierbleiben und die Jungs auch.«
»Aber du hast doch schon die Fahrkarten gekauft.«
»Und du hast deine gekauft. Wir fahren nicht.« Später im Bett fing sie an zu weinen.
»Ich weine nicht deshalb. Ich weine, weil ich mich schäme. Da mache ich dir eine Szene, wo du so viele Sorgen hast. Das ist keine Art.«
»Macht doch nichts.«
»Natürlich macht es etwas. Warum sind wir denn zusammen, wenn nicht, um uns gegenseitig zu helfen?«
»Du hilfst mir ja.«
Er streichelte ihr im Dunkeln vorsichtig den Kopf. »Seit Toto klein war, hab ich dich nicht so aufgeregt gesehen. Ist da vielleicht noch etwas anderes, das dich beschäftigt?«
»Nein.«
»Du bist nicht krank?«
»Nein, gib mir dein Taschentuch.«
Sie tastete danach und schneuzte sich die Nase. »Es ist nur…«
»Was? Außer
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