Das Ungeheuer von Florenz
hineingeworfen hatte?«
Simonetti war wütend auf sie, aber was konnten sie machen?
Noferini, der sowieso immer schneller war als der Maresciallo und den nun seine Nervosität trieb, antwortete: »Wenige Sekunden nur, Signore. Wir waren kaum drei Schritte vorwärts gegangen, als wir hörten, daß der Deckel wieder geöffnet wurde.«
»Dann war das von vornherein so abgesprochen. Aber wie haben sie das gemacht, wenn er doch unter Bewachung stand und sein Telefon angezapft war. Wie haben sie Kontakt miteinander gehabt? Hat er Briefe abgeschickt? Das wäre allerdings eine Erklärung für die Verzögerung.«
Der Maresciallo hüstelte.
»Bitte? Sind Sie nicht meiner Meinung?«
»Doch, doch.«
Wer würde das wagen. »Ich weiß nicht, ob er Briefe abgeschickt hat. Wir sind nur nachts hier. Außerdem hätte seine Frau ja etwas aufgeben können. Sie war doch bestimmt auf dem Postamt, um Haushaltsrechnungen zu bezahlen oder dergleichen.«
»Ach ja?«
»Ich dachte nur, an der Verzögerung könnte das Wetter schuld sein.«
»Das Wetter?«
»Ja. Das und der Neumond. Gestern nacht war es vollkommen dunkel. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätten wir ihn gesehen.«
»Der Neumond. Ja, ich verstehe.«
Simonetti sah den Maresciallo mit einer völlig veränderten Miene an und klopfte ihm auf den Arm. »Na gut.«
Der Maresciallo ärgerte sich den ganzen Tag, nicht so sehr über Simonetti als vielmehr über sich selbst. Er hatte Simonetti eine Zeile geliefert, aus der bis zum folgenden Tag ein ganzseitiger Artikel in La Nazione geworden war. Er hatte sich außerdem, wenn auch nur für einen Moment, durch das Klopfen auf den Arm geschmeichelt gefühlt. Wie ein Schuljunge, der für einen Aufsatz gelobt wurde, oder wie der gute Hund, der die Zeitung geholt hat.
Mit einem hatte er recht gehabt: Das Wetter war umgeschlagen. Es regnete heftig. Die Durchsuchung hatte im Haus begonnen, in einer Art Vorratskammer neben der Küche. Die Küche selbst war durchzogen von den Kabeln der Filmkameras, mit denen der dunkle Vorratsraum gefilmt wurde. Als der Maresciallo, hinter Simonetti gehend, aus dem Wohnzimmer kam, stolperte er über die Kabel und ging nach draußen, wo drei Männer die Mülltonne an die Rückseite des Hauses rollten. Als das geschafft war, standen sie eine Weile davor und betrachteten sie. Viel konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht damit machen. Öffnen konnten sie sie nicht, weil es regnete. Die Tonne mußte ins Polizeilabor nach Florenz gebracht werden. Natürlich hatten sie alle, Simonetti eingeschlossen, kurz hineingeschaut, aber ohne viel Hoffnung. Was immer der Verdächtige hatte loswerden wollen, war nur deshalb in der Mülltonne gelandet, damit ein Freund oder Komplize es beiseite schaffen konnte. Diese Schlußfolgerung drängte sich ihnen auf. Den Maresciallo brachte sie ein wenig aus dem Konzept, denn er hatte den Verdächtigen nicht für so weitblickend gehalten und ihm einen solchen Plan nicht zugetraut. Für den Maresciallo war der Verdächtige in die Kategorie des gewöhnlichen Verbrechers gefallen, der alles leugnete und der Gefahren zwar witterte wie ein Tier, aber kein kühl berechnender Kopf war. Das am allerwenigsten. Es geschah nicht oft, daß er sein Gegenüber falsch einschätzte. Aber hier war es ihm passiert. Er hatte den zweiten Mann mit eigenen Augen gesehen, soweit man bei dieser Dunkelheit überhaupt davon reden konnte, etwas gesehen zu haben. Trotzdem würde man den Müll durchsuchen in der vagen Hoffnung, es könnten Spuren von Schmierfett auf den Müllsäcken aus Plastik zurückgeblieben sein, wenn die Waffe, und sei es nur kurz, in der Tonne gelegen hatte.
Reglos stand er da, und während der Regen auf ihn herabströmte, sah er schweigend den Männern zu, die sich an der Tonne zu schaffen machten und darüber debattierten, wie sie am besten zu transportieren sei. Sie hatten dicke, wetterfeste Jacken und Gummistiefel an. Er sollte nach Hause gehen. Selbst wenn er keinen Schlaf finden würde, so konnte er doch wenigstens geeignetere Kleidung anziehen. Er hatte noch nicht einmal einen Kaffee zu sich genommen, war aber zu müde, um irgendeine Entscheidung zu treffen, und sei es nur in Sachen Frühstück, daher blieb er, wo er war. Hinter ihm in der Küche hatte jemand zu hämmern begonnen. Nahmen sie das ganze Haus auseinander? Der Verdächtige, der das Recht hatte, während der Hausdurchsuchung zugegen zu sein, war nicht zur Arbeit gegangen. Er erhob nun die Stimme und protestierte
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