Das Ungeheuer von Florenz
und wollte die Schublade hineinschieben, doch sie klemmte. Sie war viel zu voll. Er versuchte, die Sachen anders einzuschichten, und dachte, irgend etwas stünde vielleicht hoch. Stapel von Rechnungen lagen in dieser Lade, Glühbirnen in Kartons, einzelne Stecker, Draht, ein Hammer, Tuben mit Klebstoff, ein Heiligenbild, ein Marmeladenglas mit Schraubverschluß, in dem sich die verschiedensten Nägel befanden, zerbrochene Bleistifte, halb ausgeschriebene Kugelschreiber mit abgebrochenem oberem Ende und eine große Rolle festes braunes Klebeband für Pakete. Es sah so aus, als sei die Rolle der Übeltäter. Der Maresciallo schob anderes beiseite, um Platz für das Band zu schaffen, und legte es flach wieder hinein. Die Schublade ging immer noch nicht zu. Da fiel ihm ein Trick ein. Ein Kollege hatte ihm davon erzählt, nachdem dieser eine versteckte Pistole gefunden hatte, und die Rolle Klebeband erinnerte ihn nun daran: »Ganz einfach, wirklich. Sie wickeln sie ein, legen sie ganz hinten in die Schublade und kleben sie innen an der Schrankwand an. Dadurch bleibt sie natürlich hinten, wenn man die Schublade herauszieht. Ich hatte die Schublade aber viel zu weit vorgezogen, und die versteckte Waffe kippte hinten runter, immer noch an die Schrankwand angeklebt, aber nun ging die Lade nicht mehr zu. Kein schlechter Trick. Wenn ich nicht so ungeduldig an der Schublade gezerrt hätte, hätte ich die Waffe vermutlich nie gefunden.«
Der Maresciallo wurde nicht ungeduldig. Er zog die Lade vorsichtig heraus und stellte sie auf den Tisch. Dann beugte er sich hinunter, um nachzusehen. Das Päckchen war flach und länglich, war in etwas Schwarzes eingeschlagen, vermutlich einen Müllsack, und war innen an der Rückwand des Schranks mit dem Klebeband angeklebt.
Im Hof brach plötzlich Unruhe aus, auf die ein durchdringender Schrei folgte. Der Maresciallo richtete sich auf und ging nach draußen.
»Er bringt mich um! Er sagt, ich sei schuld, und bringt mich um! Er wird es mir in die Schuhe schieben, heilige Muttergottes!«
»Bleiben Sie, wo Sie sind, wir fangen sie wieder ein.«
Doch die Hasen, die Besatzung eines ganzen Käfigs, hatten nicht die Absicht, sich wieder hineinverfrachten zu lassen, ohne vorher ein hübsches Wettrennen zu veranstalten. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatten sie Gelegenheit, sich mehr als nur ein paar Zentimeter zu bewegen, und das wollten sie ausnutzen und liefen deshalb, Ohren nach hinten und Stummelschwänze nach oben, in dem strömenden Regen in ein Dutzend Richtungen auf einmal auseinander.
Der Maresciallo ging davon aus, daß Simonetti sich nicht an der Hasenjagd beteiligen würde, und begab sich nach nebenan, um ihm Mitteilung von seinem Fund zu machen.
Das Päckchen wurde in seinem Versteck gefilmt, ehe es entfernt und geöffnet wurde.
»Geld.«
Stöße von Geldscheinen, jeder mit einem Gummiband zusammengehalten.
Sie breiteten sie vor dem Filmen auf dem schwarzen Müllsack aus.
»Unser Freund hier hat anscheinend kein Vertrauen zu Banken«, war Simonettis einzige Bemerkung. »Vielen Dank. Sie können es getrost wieder dort ankleben, wo Sie es gefunden haben.«
Er ging mit dem Kameramann weg.
Draußen war die Hasenjagd noch im Gange, zusätzlich zu dem Geschrei der Frau nun auch noch vom Gejammer und den Flüchen des Verdächtigen begleitet.
Der Maresciallo zählte die Hunderttausend-Lire-Scheine eines Bündels durch. Danach zählte er die Bündel und legte sie in den Müllsack zurück. Einhundertdreißig Millionen Lire. Er verschloß das Päckchen mit neuem Klebeband und schob den Arm bis zur Höhlung der Schublade, um es wieder an seinem Platz anzukleben.
Die Summe entsprach dem, was er selbst in vier Jahren verdiente. In der Keksdose, die Simonetti geöffnet hatte, befanden sich ein Sparbuch, auf dem weitere achtzig Millionen Lire eingetragen waren, und ein Stapel von Aktienzertifikaten, ausgestellt auf den Überbringer. Wieviel die wert waren, hatte er nicht sehen können.
Als er aufgeräumt hatte, trat er ans Fenster und betrachtete einen Augenblick die chaotische Szene, die sich dort draußen bot.
»Hm«, sagte er laut zu sich selbst. Mehr sprach er mit Rücksicht auf die in dem Raum versteckten Wanzen nicht. Sie hinderten ihn aber nicht daran, zu denken, daß die Hennen und Hasen seines eigenen Vaters, der auch jahrelang bei der Landarbeit geschwitzt hatte, ihm keine solchen Bündel von Aktien und Banknoten eingetragen hatten.
Als der Maresciallo zur Küchentür
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