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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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was der Verdächtige inzwischen beiseite geschafft hatte.
    Als der Maresciallo und Ferrini zur Mittagszeit gingen, waren die Lampen und Kameras eben erst ausgeschaltet worden. Eine in einer Nische in der Küchenwand stehende Madonnenstatue hatte man auseinandergenommen und den Putz dahinter mit einer Bohrmaschine zerstört. Gipsstaub hatte sich auf das weiße Haar des Verdächtigen gelegt, der, den Kopf auf den verschränkten Armen, am Küchentisch saß und schluchzte. Draußen beschimpfte seine Frau laut schreiend einen Journalisten und schlug ihm mit einem Kehrbesen auf den Kopf, bevor es ihm gelang wegzurennen.
    »Später!« bedeutete der Maresciallo durch Lippenbewegungen dem Gesicht, das zum Fenster hereinsah. Es war der Mann aus dem Haus gegenüber; es ging auf sechs Uhr – wahrscheinlich kam er gerade von der Arbeit auf dem Feld zurück. »Sie dürfen hier nicht rumstehen.«
    Mit einer Handbewegung bat er ihn, zu gehen. Der Mann zog ein mürrisches Gesicht, trollte sich aber.
    Sie durchsuchten immer noch die Küche, schauten sich nun einen zerschrammten Küchenschrank an, dessen Schubladen und Fächer vollgestopft waren mit Dingen, die sich immer im meistbenutzten Raum eines Hauses ansammeln. Simonetti persönlich und Di Maira nahmen die Durchsuchung vor. Der Part des Maresciallo war einfacher. Seine Aufgabe war, jeden Gegenstand aufzulisten, den sie eventuell mitnahmen, und alles genau wieder an den Platz zurückzustellen, von dem sie es genommen hatten. Sie hatten zuerst den gesamten Raum aufgenommen und filmten nun die offenen Schubladen und wie sie geleert wurden.
    »Entschuldigen Sie«, riskierte der Maresciallo zu sagen.
    »Die Postkarte hier…«
    »Was ist damit?«
    Simonetti, der vor dem Schrank hockte, schaute gar nicht hoch.
    »Es ist sicher lästig, aber ich glaube, wir müssen den ersten Teil noch einmal filmen. Die Karte muß zu Boden gefallen sein, oder es hat sie jemand irgendwo runtergestoßen.«
    »Lassen Sie sie liegen. Wahrscheinlich ist sie aus dem Schrank gefallen.«
    »Nein, nein, sie stand angelehnt hier hinten. Das habe ich zufällig heute morgen gesehen.«
    »Schon gut, schon gut. Lassen Sie sie einfach liegen. Ich sorge schon dafür, daß sie aufgenommen wird, wenn sie von Interesse ist.«
    Der Maresciallo stellte die Karte sorgfältig genau an den Platz zurück, an dem er sie zuvor gesehen hatte, und der Kameramann trat hervor, um eine Nahaufnahme von einer Keksdose zu machen, die Simonetti zu öffnen versuchte. Di Maira trat zurück, wobei sein Blick auf die Postkarte fiel. Er warf dem Maresciallo einen scharfen Blick zu und drehte sich schnell zur Seite.
    Hinter ihnen kam der Verdächtige mit einem Korb voller frisch gelegter Eier herein.
    »Ich will nur mit meiner Arbeit weitermachen«, sagte er weinerlich, sein fleischiges Gesicht wie immer tränenüberströmt. »Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, ich hab mich krank geschuftet. Mit meinem Herzen ist es aus, und das hab ich nun davon.«
    Er setzte den Korb mit den Eiern ab, und als er sah, was Simonetti gerade erfolgreich geöffnet hatte, schwoll die Lautstärke seines weinerlichen Jammerns an.
    »Das hab ich nun davon. Fremde durchwühlen meine ganze Habe, Fremde stochern in meinen persönlichen Sachen herum, machen sich lustig über die kümmerlichen paar Lire, die ich in Jahren zusammengekratzt habe, indem ich mir den Buckel krumm geschuftet hab. Ich hab mein möglichstes getan, wie mein Vater es mir beigebracht hat, und hab jede Woche ein kleines bißchen zurückgelegt – Gott sei Dank lebt er nicht mehr und kann nicht sehen, was heute daraus geworden ist. Aber Gott wird Ihnen das heimzahlen. Er wird dafür sorgen, daß Sie in der Hölle schmoren, weil Sie einem unschuldigen Mann das Leben schwergemacht haben. Der als Sündenbock herhalten muß! Und das bloß, weil ich zu alt und zu krank und zu schwach bin, um mich zu verteidigen.«
    »Oh, Gott«, stöhnte Simonetti, der diese Tiraden satt hatte wie übrigens alle Männer. »Das war's. Räumen Sie hier auf. Wir gehen weiter.«
    »Meine Hasen! Rühren Sie nicht meine Hasen an! Der Schock würde sie umbringen, und mich bringt es auch um. Nicht meine Hasen!«
    Er kam ihnen nach, weinte, als sie zur Küchentür hinaus und durch die nächste Tür in den Hof gingen, wo dicke braune Hasen in übelriechenden, überfüllten Boxen im Dunkeln hockten.
    Der Maresciallo blieb zurück, um alles wieder an seinen Platz zu stellen. Als er fertig war, machte er die Schranktüren zu

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