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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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der Maresciallo unbefangen fühlte, und ein ab und zu gewechseltes Wort erleichterte die Sache schon etwas.
    Nun verbrachte er den Vormittag mehr oder weniger schweigend, stellte die tausend Kleinigkeiten, die aus dem Schuppen geholt worden waren, wieder an ihren angestammten Platz, gab sich Mühe, dem Kameramann immer aus dem Weg zu gehen, und machte Notizen. Das einzig Gute an diesem Vormittag, abgesehen von dem herrlichen Wetter, war, daß er während einer kurzen Pause, in der ein neuer Film eingelegt wurde, aus dem Augenwinkel beobachten konnte, daß Simonetti mit Bacci sprach. Das Gespräch schien gut zu verlaufen, denn Simonetti hatte die Hand auf die Schulter des jungen Mannes gelegt, und das freute den Maresciallo. Sowenig er das Lob dieses Mannes für sich selbst wollte, war ihm doch klar, daß es gut für Bacci war.
    Deshalb überraschte ihn die alles andere als glückliche Miene Baccis ein wenig, als sie nach der Mittagspause direkt nebeneinander arbeiteten. Ihnen war aufgetragen worden, den kleinen Birnbaum auszugraben, den der Verdächtige der Aussage eines Carabiniere aus dem Dorf zufolge aus keinem ersichtlichen Grund umgepflanzt hatte. Der Verdächtige erklärte unter Tränen, der Baum habe vorher nicht genügend Licht bekommen und werde eingehen, wenn sie ihn jetzt versetzten. Simonetti argwöhnte jedoch, er habe, unter dem Vorwand, den Baum umzupflanzen, etwas vergraben.
    »Nichts da«, sagte der Maresciallo.
    »Nein.«
    »Wir setzen den Baum wieder ein, aber ich fürchte, der Mann hat recht, und er wird eingehen.«
    Bacci hob das zarte Bäumchen hoch und betrachtete es, ohne zu antworten.
    »Ist irgendwas?«
    Bacci besah sich weiter den Baum. Er wirkte verstört. Dann sagte er mit einem verstohlenen Blick zu der Stelle, an der die anderen Männer arbeiteten: »Ja. Kann ich mit Ihnen sprechen?«
    »Nur zu. Von dort drüben kann uns niemand hören.«
    »Sie könnten uns sehen… und etwas merken. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie heute abend aufsuche?«
    »Wenn du willst.«
    Bacci sah immer noch verstört aus. Und wenn der Maresciallo sich nicht irrte, hatte er auch ein wenig Angst. Als er sich nach ein paar Minuten immer noch nicht regte, sagte der Maresciallo: »Wollen wir weitermachen und den Baum einpflanzen, Tenente?«
    Und sie setzten ihre Arbeit fort.
    Sie waren fast fertig, als der Verdächtige keuchend und vor Ärger rot im Gesicht und nach Luft ringend angelaufen kam.
    »Mein Birnbaum! Mein kleiner Birnbaum! Sie haben ihn zerstört.«
    »Es tut mir leid«, erwiderte der Maresciallo, »wir waren so vorsichtig, wie wir konnten.«
    Der Verdächtige hob das tränenverschmierte Gesicht und die breiten, rissigen Hände gen Himmel.
    »Steh mir bei, Gott, steh mir bei. Ich bin unschuldig.
    Warum passiert mir das? Dafür wirst du in der Hölle schmoren!«
    Die letzte Bemerkung richtete sich natürlich nicht an Gott oder den Maresciallo, sondern an Simonetti, der vor dem überfluteten Durchgang hockte und so konzentriert nach etwas suchte, daß er nicht zuhörte. Nur der Kameramann hinter ihm drehte sich um und schaute in ihre Richtung. Er hielt die Videokamera in der Hand, hatte sie nicht auf der Schulter ruhen, was wohl hieß, daß sie ausgeschaltet war. Die Wutausbrüche des Verdächtigen zu filmen interessierte ihn nicht. Andere hingegen schon, denn als der Maresciallo in Richtung des Daches schaute, saßen dort zwei oder drei Fernsehleute und filmten. Das war genau das Material, auf welches sie aus waren. Dann stieg ein Schrei auf: »Kamera!«
    Es war Simonetti, und irgend etwas an der Schärfe seines Tonfalls veranlaßte den Verdächtigen, mitten in einem Fluch abzubrechen.
    »Was macht er denn da?«
    Er lief nach hinten. »Dieser Mistkerl! Was macht er!«
    »Offenbar hat er etwas gefunden«, sagte der Maresciallo und warf den Spaten zu Boden. »Gehen wir mal nachsehen.«
    »Nicht!«
    Baccis Stimme war sogar noch eindringlicher als die Simonettis. »Bleiben Sie weg.«
    Seine Finger umklammerten den Arm des Maresciallo.
    »Bleiben Sie hier.«
    »Woher wußten Sie das?«
    Ferrini lächelte breit. »Setzen Sie sich, machen Sie es sich bequem. Ich hole uns eine Flasche Grappa, etwas ganz Besonderes. Steigt einem ganz schön zu Kopf, ist aber gut, wirklich gut. Ich kann mir vorstellen, daß Sie einen brauchen.«
    Der Maresciallo ließ sich in einem großen Sessel nieder und schaute über den spiegelblank polierten Boden auf eine an der gegenüberliegenden Wand stehende Vitrine. Darin standen

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