Das Ungeheuer von Florenz
hinausging, begegnete er Noferini. Der Junge war naß und ganz rot im Gesicht und hielt mit beiden Armen einen völlig durchnäßten, zitternden Hasen umklammert. Offensichtlich war er nicht zu müde gewesen, um sich an der Jagd zu beteiligen.
»Wir haben sie alle!«
»Gut. Scheint so, als seien diese Hasen ihr Gewicht in Gold wert.«
Noferini sah dem Maresciallo mit großen Augen nach.
Am Tor stand jemand und wartete, unter einem großen grünen Schirm aus Baumwolltuch versteckt, wie ihn die Leute auf dem Lande benutzten.
»Maresciallo?«
Es war wieder der Mann aus dem Haus gegenüber.
»Ich bin schon zu Ihnen unterwegs. Ich hab meine Handschuhe oben liegen.«
»Es geht um meine Jacke.«
»Was für eine Jacke?«
Der Maresciallo ging weiter. Er hatte genug für heute.
»Meine Jacke! Ich will nicht danach fragen, denn ehrlich gesagt jagt der Mann mir Angst ein. Ich halte mich von ihm fern.«
Er hielt den riesigen grünen Schirm über beide, als der Maresciallo die aufgeweichte Straße überquerte. »Ich hab zu meiner Frau gesagt, wenn sie sein Haus durchsuchen, müssen sie die Jacke ja finden. Hab ich recht? Ich hab gesagt, ihn werd ich nicht darum bitten. Man kann nie wissen. Es ist nur so, daß ich die Jacke zur Arbeit anziehe, ich könnte sie also schon brauchen. Aber ich bin nicht jemand, der gerne Risiken eingeht, und er hat mir einen riesigen Schrecken eingejagt, als er so auf mich losgegangen ist. ›Sei nicht so neugierig‹, hat die Frau gesagt, aber ich war gerade aufgestanden, weil ich pinkeln mußte, und da hab ich Sie runtergehen hören. Jedenfalls, es ist eine grüne Regenjacke, wenn Sie schnell mal nachschauen, finden Sie sie. Was hat er denn eigentlich in die Mülltonne geworfen? Es muß etwas Hartes gewesen sein, da bin ich mir ganz sicher, aber ich konnte nur kurz danach fassen, da hatte er mich schon gepackt.«
Der Maresciallo blieb stehen, schloß für einen Moment die Augen und drehte sich um.
»Kommen Sie mit.«
»Sie machen Witze!«
Der Leiter des Polizeilabors am anderen Ende der Leitung konnte das Lachen nicht unterdrücken.
»Nein, ich fürchte, das stimmt.«
»Wär besser, wenn die Zeitungen davon keinen Wind bekämen.«
»Seh ich auch so.«
»Würde nicht gut aussehen.«
»Nein.«
»Sie nehmen es sich zu Herzen.«
»Nein, ich bin nur erschöpft, das ist alles. Ich hab dreißig Stunden Dienst hinter mir und bin gerade ins Revier zurückgekommen.«
»Ist sicher kein Spaß.«
»Nein.«
»Ich kann nicht behaupten, daß ich etwas Interessantes für Sie hätte, obwohl ich ja sagen muß, daß es mich nach all den Jahren doch immer noch erstaunt, was Leute so wegwerfen. Einen toten Hund zum Beispiel. In der Stadt könnte ich das ja noch verstehen, aber auf dem Land? Warum den Hund nicht begraben? Außerdem ist er ziemlich groß. Na, egal… Wir haben eine ganze Menge Walt-Disney-Filme auf Videoband und dazu einen Müllsack voller Pornohefte – dürften wahrscheinlich ihm gehören, was meinen Sie?«
»Könnte sein. Ist irgend etwas Besonderes dabei?«
»Eigentlich nicht. Harte Pornos der billigsten Machart. Die Sorte, die man an jedem Zeitungskiosk kaufen kann. Außerdem haben wir ein halbes Sofa. Was meinen Sie, ob auf der anderen Hälfte noch wer draufsitzt?«
»Da war noch eine Mülltonne, vielleicht…«
»Schon gut. Ich wollte Sie nur etwas aufheitern.«
Der Leiter des Labors war neu in seinem Amt, und der Maresciallo hatte ihn noch nicht persönlich kennengelernt, aber ein heiteres Gemüt hatte der Mensch schon. Klar, er war ja auch nicht seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen, und das bei meist leerem Magen. Der Maresciallo war so umsichtig gewesen, Wasser aufzusetzen, ehe er den Anruf tätigte. Die Liste der Gegenstände wollte gar nicht enden.
»Und… lassen Sie mich nachsehen – ach ja, richtig. Ich wußte doch, da war noch was, das Sie sicher amüsieren wird. Eine zerschlagene Videokamera war auch dabei.«
Was sollte daran komisch sein? Der Maresciallo war verwirrt.
»Sie haben gestern abend wohl keine Nachrichten gesehen?«
»Ich – nein, wieso?«
»Ach, na ja, seine Frau hat sich mit den Journalisten angelegt – man kann es ihr nicht verdenken –, und in den Acht-Uhr-Nachrichten war sie in einem kurzen Filmchen zu sehen. Sie fegt nur hinter dem Haus den Boden, aber auf einmal erspäht sie die Kamera und kommt mit erhobenem Besen darauf zu. Ein paar Sekunden lang hat man nur verwackelte Bilder gesehen, und dann wurde es schwarz. Alle
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