Das Ungeheuer von Florenz
arme Bacci bei dieser Posse spielen?«
»Simonetti sagte gleich, wie bedauerlich es sei, daß die Kamera gerade ausgeschaltet war, und daß er erwarte, daß Bacci ihr Gespräch zu Protokoll gebe, damit sie es später bei der Pressekonferenz verwenden könnten.«
»Und Bacci hatte den Mut, das abzulehnen?«
»Er hat, Gott sei Dank, im Grunde nicht abgelehnt. Soweit ich es verstanden habe, hat er überhaupt nicht viel gesagt.«
»So platt, daß ihm gar nichts einfiel.«
»Anscheinend ja. Zum Glück hatte unser Verdächtiger gerade beschlossen, mit einem hysterischen Anfall mitten in das Gespräch hineinzuplatzen. Und dann war die Kamera wieder an, und der Moment war vorbei. Trotzdem ist Simonetti letztlich aber von selbst dahintergekommen, vielleicht nicht, daß Bacci unwillig war, aber daß er für eine solche Sache zu nervös ist. Sein unschuldiges junges Gesicht würde sich zwar vor einer Fernsehkamera ganz gut machen, aber wenn er nur herumstammelte und vielleicht noch rot würde dabei, wäre die Geschichte verschenkt. Er hat sich die Kugel in die Tasche gesteckt und sie vermutlich später in den Stützpfosten gedrückt.«
»Wollen wir das Beste hoffen – für Bacci, meine ich.«
»Er wollte heute abend mit mir darüber sprechen. Er sah krank aus, hundeelend, und ich dachte schon, er hätte sich was eingefangen wie Sie. Da fiel mir ein, was Sie mir mal gesagt hatten: Man soll nie eine Grippe ungenutzt vorübergehen lassen, weil es immer einen strategisch günstigen Augenblick gibt, eine zu kriegen.«
»Richtig. Zu meiner Zeit hab ich mir manchmal mit vierzig Grad Fieber den Arsch aufgerissen, bloß um den richtigen Zeitpunkt zum Kranksein nicht zu verpassen. Zufällig habe ich gestern abend bei Ihnen angerufen, um Sie zu warnen, aber Sie haben nicht abgenommen.«
»Ich bin zeitig ins Bett gegangen.«
»Da haben Sie aber Glück, wenn Sie das Telefon überhören. Das schaffe ich nicht.«
»Ich ja auch nicht, deswegen hab ich…«
»Was?«
»Vorgestern morgen die Klingel leise gestellt. Hab ich wohl vergessen.«
»Das macht doch nichts. Möchten Sie noch einen Schluck?«
»Nein, danke.«
Teresa! Das Telefon war schon zwei Tage und eine Nacht abgestellt, und hier saß er am Borgo Ognissanti in Ferrinis Dienstwohnung, während Teresa sicher wieder anzurufen versuchte.
»Ich muß nach Hause.«
»Wie Sie wollen. Hören Sie, ich hoffe doch, Sie machen keine Tragödie daraus? Auf lange Sicht gesehen ist das belanglos, und er ist es nicht wert, daß Sie seinetwegen Ihren Job aufs Spiel setzen. Er ist sowieso ein Killer, und für das, was er seiner Tochter angetan hat…«
»Ich weiß.«
Darüber hatte er auch mit Ferrini sprechen wollen, aber er mußte wirklich gehen. Die arme Teresa war sicher schon außer sich vor Angst.
»Warten Sie. Ich habe hier etwas, das wollte ich Ihnen geben. Ich hab es selbst mal durchgeblättert, als ich die Grippe hatte.«
»Was ist es denn?«
Dem Maresciallo wurde ganz flau, als ihm ein dickes Bündel Papier in die Hand gedrückt wurde.
»Sehen Sie selbst. Besser vorgewarnt als unangenehm überrascht. Wenn Sie es gelesen haben, wird es das beste sein, Sie ringen sich dazu durch zu sagen, so ist es nun einmal gelaufen, und es lohnt nicht, für einen der Beteiligten ein Risiko einzugehen. Das jedenfalls rate ich Ihnen.«
Der Maresciallo war bereit, jeden Rat anzunehmen, aber er wünschte, als er durch die langen Korridore des Armeegebäudes ging, daß man ihm nicht ständig so viel Lesestoff gäbe.
Streifenwagen starteten mit großem Getöse in dem hallenden Kreuzgang rechts unter ihm. Die Türen zu den Büros linker Hand, die einmal Mönchszellen gewesen waren, waren geschlossen und versperrt. Es war spät, und Teresa war sicher beunruhigt.
Sie war beunruhigt, und zornig war sie auch. Er hätte doch sagen können, daß er den ganzen Tag Dienst hatte, und ihr mitzuteilen, daß er das Telefon abgeschaltet hatte, hätte doch gewiß auch nicht geschadet. Nie dachte er nach, bevor er sich auf so etwas einließ. Der Maresciallo wartete, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte, damit sie eine Weile miteinander reden konnten. Er hatte es nicht eilig, zu den Akten zurückzukommen, die er durchgehen sollte. Er hatte bisher nur die Einleitung gelesen – es war ein Gerichtsbericht über die Freilassung eines früheren Verdächtigen –, und der Gedanke an 160 Seiten Juristensprache war nicht ermutigend.
»Du bist nicht etwa krank, oder?«
»Nein, mir geht's gut.«
»Das stimmt
Weitere Kostenlose Bücher