Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
die Hand aus und berührte liebevoll seinen Arm.
    Victor stand auf und ging zur Hintertreppe. Dort lauschte er einen Augenblick lang; dann schloß er die Tür und kehrte zum Tisch zurück. Er setzte sich und beugte sich zu Marsha hinüber. »Ich möchte, daß VJ sich einer umfassenden neurologisch-medizinischen Untersuchung unterzieht - genau wie vor sieben Jahren, als seine Intelligenz plötzlich nachließ.«
    Marsha antwortete nicht. Die Sorge um VJs Persönlichkeitsentwicklung war eine Sache, die um seinen allgemeinen Gesundheitszustand eine völlig andere. Der bloße Vorschlag einer solchen Untersuchung war ein Schock, ebenso wie der Verweis auf die Veränderungen in VJs Intelligenz.
    »Du weißt noch, wie sein IQ im Alter von etwa dreieinhalb Jahren so dramatisch zurückging?« fragte Victor.
    »Natürlich weiß ich das noch«, sagte Marsha. Sie betrachtete Victor prüfend. Warum tat er ihr das an? Es mußte ihm doch klar sein, daß er ihre Sorgen damit nur verschlimmerte.
    »Ich will die gleiche Untersuchung wie damals«, wiederholte Victor.
    »Du weißt etwas, das du mir verheimlichst«, stellte Marsha erschrocken fest. »Was ist es? Stimmt etwas nicht mit VJ?«
    »Nein!« erklärte Victor. »Mit VJ ist alles in Ordnung, wie ich schon gesagt habe. Ich will nur sichergehen, und ich wäre sicher, wenn die Untersuchung wiederholt würde. Weiter steckt nichts dahinter.«
    »Ich möchte wissen, warum du plötzlich eine solche Untersuchung machen willst.«
    »Das habe ich dir gerade gesagt.« Victors Stimme hob sich erbost.
    »Du willst, daß ich meine Zustimmung zu einer umfassenden neuromedizinischen Untersuchung meines Sohnes gebe, ohne mir die Indikationen zu nennen?« sagte Marsha. »Kommt nicht in Frage! Ich setze den Jungen doch nicht all diesen Röntgen- und sonstigen Untersuchungen aus, ohne irgendeine Erklärung zu bekommen.«
    »Verdammt, Marsha!« Victor knirschte mit den Zähnen.
    »Das kannst du wohl sagen«, gab sie zurück. »Du verschweigst mir etwas, Victor, und das gefällt mir nicht. Du versuchst, wie ein Bulldozer über meine Gefühle hinwegzuwalzen. Wenn du mir nicht sagst, was dahintersteckt, wird VJ keinem einzigen Test unterzogen - und glaube mir, ich habe dabei ein Wörtchen mitzureden. Entweder sagst du mir also, was du dir dabei denkst, oder das Thema ist beendet.«
    Marsha lehnte sich zurück und atmete tief ein; einen Moment lang hielt sie die Luft an, ehe sie wieder ausatmete. Victor starrte sie an, offensichtlich gereizt, aber ihre Kraft begann ihn zu ermüden. Ihre Position war klar, und aus Erfahrung wußte er, daß sie es sich kaum anders überlegen würde. Nach einer vollen Minute des Schweigens begann sein Blick unstet zu werden. Er schlug die Augen nieder und sah auf seine Hände. Die Standuhr im Wohnzimmer ertönte achtmal.
    »Also schön«, sagte er schließlich erschöpft. »Ich erzähle dir die ganze Geschichte.« Er lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Eine Sekunde lang schaute er Marsha in die Augen; dann blickte er zur Decke wie ein kleiner Junge, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war.
    Marsha verspürte ein wachsendes Gefühl der Ungeduld und Furcht vor dem, was sie hören würde.
    »Das Problem ist, daß ich nicht weiß, wo ich beginnen soll«, sagte Victor.
    »Wie wär's mit dem Anfang?« schlug Marsha vor. Wieder wurde ihre Ungeduld spürbar.
    Victor blickte sie an. Mehr als zehn Jahre lang hatte er das Geheimnis von VJs Zeugung für sich behalten. Er sah Marshas offenes und ehrliches Gesicht und fragte sich, ob sie ihm je verzeihen würde, wenn sie die Wahrheit erführe.
    »Bitte«, sagte Marsha. »Warum kannst du's mir nicht einfach erzählen?«
    Victor senkte den Blick. »Aus vielen Gründen. Einer ist, daß du mir vielleicht nicht glaubst. Und überhaupt, wenn ich's dir erzählen soll, müssen wir in mein Labor fahren.«
    »Jetzt?« fragte Marsha. »Im Ernst?«
    »Wenn du es hören willst...«
    Es wurde still. Kissa sprang auf Marshas Schoß, und Marsha erschrak. Sie hatte vergessen, die Katze zu füttern. »Also gut! Laß mich rasch die Katze füttern und VJ Bescheid sagen! In einer Viertelstunde kann's losgehen.«
    VJ hörte Schritte auf dem Gang zu seinem Zimmer. Ohne Hast klappte er sein Briefmarkenalbum zu und schob es ins Regal. Seine Eltern verstanden nichts von Philatelie und würden nicht wissen, was sie da sahen. Aber er brauchte keine unnötigen Risiken einzugehen. Er wollte nicht, daß sie entdeckten, wie groß und

Weitere Kostenlose Bücher