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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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eine Weile stehen und fragte sich, ob Hurst etwas mit den verschwundenen Dateien zu tun haben mochte. War es möglich, daß er einen Verdacht hatte? Und wenn er einen hatte, war vielleicht er die Basis für seine unklare Drohung? Victor schüttelte den Kopf. Es war ausgeschlossen, daß Hurst von den Stichworten wußte. Niemand wußte von ihnen. Niemand!

5
    Montag abend
    Marsha schaute über den Eßtisch hinweg ihren Mann und ihren Sohn an. VJ war in ein Buch über Schwarze Löcher vertieft und blickte zum Essen kaum auf. Sie hätte ihm befohlen, das Buch beiseite zu legen, aber Victor war mit so schlechter Laune nach Hause gekommen, daß sie nichts sagen wollte, was es noch schlimmer gemacht hätte. Und sie selbst war immer noch beunruhigt wegen des Jungen. Sie liebte ihn so sehr, daß sie den Gedanken nicht ertragen konnte, er sei womöglich gestört, aber sie wußte auch, daß sie ihm nicht helfen konnte, wenn sie der Wahrheit nicht ins Auge sah. Anscheinend hatte er den ganzen Tag bei Chimera verbracht - unbeaufsichtigt offenbar, denn als sie ausdrücklich nachgefragt hatte, hatte Victor zugegeben, daß er ihn den ganzen Tag nicht gesehen habe. Als spüre er ihren Blick, legte VJ unvermittelt das Buch aus der Hand und trug seinen Teller zur Spülmaschine. Als er aufstand, sah er Marsha mit seinen tiefblauen Augen an. Es lag keine Wärme darin, kein Gefühl, nur ein strahlendes türkisblaues Licht, und Marsha hatte das Gefühl, sie liege unter einem Mikroskop. »Danke fürs Essen«, sagte VJ mechanisch.
    Marsha lauschte dem Poltern seiner Schritte, als VJ die Hintertreppe hinaufrannte. Draußen pfiff plötzlich der Wind, und sie schaute zum Fenster hinaus. Im Strahl des Lichts über der Garage sah sie, daß der Regen sich in Schnee verwandelt hatte. Ein Frösteln überlief sie, aber das kam nicht vom Anblick der Winterlandschaft.
    »Ich glaube, ich habe heute abend nicht viel Hunger«, stellte Victor fest. Soweit Marsha sich erinnerte, war dies das erstemal, daß er ein Gespräch eröffnete, seit sie von ihrer Krankenhausrunde nach Hause gekommen war.
    »Belastet dich etwas?« fragte Marsha. »Willst du darüber sprechen?«
    »Ich brauche dich nicht, damit du die Psychiaterin spielst«, versetzte Victor schroff.
    Marsha wußte, daß sie jetzt gekränkt sein könnte. Sie spielte nicht die Psychiaterin. Sie dachte, sie könnte die Erwachsene spielen und ihn nicht bedrängen. Victor würde ihr schon früh genug sagen, was er auf dem Herzen hatte.
    »Na, mich jedenfalls belastet etwas«, erklärte sie; zumindest sie würde ehrlich sein. Victor sah sie an. Wie sie ihn kannte, hatte er wahrscheinlich schon Gewissensbisse, weil er sie so barsch angefahren hatte.
    »Ich habe heute eine Artikelserie gelesen«, fuhr sie fort. »Es ging um mögliche Auswirkungen elterlichen Entzugs auf Kinder, die von Kindermädchen aufgezogen werden oder außergewöhnlich viel Zeit in Kindertagesstätten verbringen. Einige der Untersuchungsergebnisse treffen womöglich auf VJ zu. Mich beunruhigt die Frage, ob ich mir nicht hätte Urlaub nehmen sollen, als VJ klein war, um mehr Zeit mit ihm zu verbringen.«
    In Victors Gesicht zeigte sich sogleich Ärger. »Moment mal!« sagte er so schroff wie zuvor und hob beide Hände. »Ich glaube nicht, daß ich den Rest noch hören möchte. Was mich angeht, ist VJ völlig in Ordnung, und ich habe keine Lust, mir einen Haufen psychiatrischen Unfug zum Beleg des Gegenteils anzuhören.«
    »Na, ist das nicht ein bißchen unangemessen - «, begann Marsha; allmählich verlor sie doch die Geduld.
    »Oh, verschone mich!« Victor stand auf, »ich bin nicht in der Stimmung dazu.«
    »Wozu bist du denn in der Stimmung?« erkundigte sich Marsha.
    Victor holte tief Luft und schaute zum Fenster hinaus. »Ich denke, ich mache einen Spaziergang.«
    »Bei diesem Wetter?« fragte Marsha. »Nasser Schnee, matschiger Boden. Ich glaube, es beunruhigt dich etwas, und du bist außerstande, darüber zu sprechen.«
    Victor sah seine Frau an. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    Marsha lachte. »Es tut geradezu weh, dir zuzusehen, wie du dich abmühst. Bitte sag mir doch, was du auf dem Herzen hast! Ich bin deine Frau.«
    Victor zuckte mit den Schultern und kam zurück an den Tisch. Er setzte sich, faltete die Hände und stützte die Ellbogen auf seine Platzdecke. »Mir geht etwas nicht aus dem Kopf«, gab er zu.
    »Ich bin froh, daß es meinen Patienten nicht so viel Mühe macht, zu sprechen«, sagte Marsha. Sie streckte

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