Das Ungeheuer
ich es tue?«
Die rasante Art, mit der Dr. Nakano im Gespräch die Richtung wechselte, schockierte Victor. »Ich werde es ihnen sagen«, erklärte er nach kurzem Zögern. »Und danke für Ihre Zeit!«
»Keine Ursache«, sagte Dr. Nakano, aber er sah Victor nicht mehr an; er war schon mit einer anderen Krise beschäftigt.
Wie betäubt verließ Victor die Intensivstation, und er genoß die Stille, als die elektronische Tür sich hinter ihm schloß.
Er kehrte ins Wartezimmer zurück, und die Murrays errieten, daß er schlechte Nachrichten brachte, ehe er ein Wort sagen konnte.
Sie klammerten sich aneinander und dankten Victor noch einmal für sein Kommen. Victor murmelte ein paar Beileidsworte. Aber noch während er sprach, preßte eine furchtbare Vorstellung ihm das Herz zusammen. Er sah VJ bleich an einem Beatmungsapparat in dem Bett, in dem Mark gelegen hatte.
Von eisigem Entsetzen erfüllt, begab sich Victor in die Pathologie und stellte sich dem Leiter, Dr. Warren Burghöfen, vor.
Der Mann versicherte Victor, daß sie alles in ihrer Macht stehende tun würden, um die beiden Autopsien durchzuführen, und zwar so bald wie möglich.
»Wir müssen auf jeden Fall wissen, was hier los ist«, sagte Burghöfen. »Wir wollen ja nicht, daß eine Epidemie von ansteckendem Hirnödem unbekannter Ursache diese Stadt verwüstet.«
Victor kehrte langsam zu seinem Wagen zurück. Er wußte, daß die Wahrscheinlichkeit einer Epidemie gering war. Die Zahl der gefährdeten Kinder kannte er nur allzu gut. Es waren drei.
Als Victor wieder in seinem Büro war, bat er Colleen gleich, Louis Kaspwicz, den Leiter der Datenverarbeitung bei Chimera, anzurufen und ihn heraufkommen zu lassen.
Kaspwicz war ein untersetzter Mann mit einem glänzenden Kahlkopf und der Gewohnheit, plötzliche und unberechenbare Bewegungen zu machen. Er war extrem schüchtern und schaute selten jemandem in die Augen, aber trotz seiner schrulligen Persönlichkeit war er hervorragend in dem, was er tat.
Auf beinahe jedem Gebiet war Chimera von seinen Computerkünsten abhängig - von der Forschungsabteilung über die Produktion bis zur Buchhaltung.
»Ich habe ein Problem«, begann Victor und lehnte sich mit verschränkten Armen an seinen Schreibtisch. »Ich kann zwei meiner persönlichen Dateien nicht finden. Irgendeine Ahnung, wie so was möglich ist?«
»Kann verschiedene Gründe haben«, sagte Kaspwicz. »Meistens liegt es daran, daß der Benutzer den zugewiesenen Namen vergißt.«
»Ich habe in meinem Dateiverzeichnis nachgesehen«, beharrte Victor. »Sie waren nicht da.«
»Vielleicht sind sie in ein fremdes Verzeichnis geraten«, meinte Kaspwicz.
»Daran habe ich noch nicht gedacht«, gab Victor zu. »Aber ich erinnere mich genau, daß ich sie benutzt habe, und ich brauchte nie einen anderen Suchpfad anzugeben, um sie abzurufen.«
»Na, ich kann nichts dazu sagen, solange ich es mir nicht angesehen habe«, erklärte Louis. »Welche Stichworte haben Sie denn gegeben?«
»Ich wünsche, daß die Sache vertraulich behandelt wird«, betonte Victor.
»Selbstverständlich!«
Victor nannte Kaspwicz die Namen, und Louis setzte sich selbst ans Terminal.
»Kein Glück?« fragte Victor nach einer Weile, als der Bildschirm immer noch leer war.
»Anscheinend nicht. Aber in meinem Büro kann ich die Sache besser überprüfen, indem ich die einzelnen Dateien durchsuche. Sind Sie sicher, daß dies die Dateinamen waren?«
»Ganz sicher«, sagte Victor.
»Ich kümmere mich sofort darum, wenn es wichtig ist.«
»Es ist wichtig.«
Als Kaspwicz gegangen war, blieb Victor vor seinem Computerterminal stehen. Er hatte eine Idee. Sorgfältig tippte er ein anderes Stichwort in den Computer: BABYFRANK. Einen Moment lang zögerte er, denn er fürchtete das, was jetzt vielleicht kommen - oder nicht kommen würde. Schließlich drückte er die Eingabetaste und hielt den Atem an. Und seine Befürchtungen trafen ein: VJs Datei war verschwunden!
Victor ließ sich in seinen Sessel sinken; er begann zu schwitzen. Drei Dateien, die in einem Zusammenhang standen, aber nicht miteinander verknüpft waren - die konnten nicht zufällig verschwinden.
Und plötzlich sah er Hursts puterrotes Gesicht vor sich und erinnerte sich an seine Drohung: »Sie sind nicht der strahlende Ritter, für den wir Sie alle halten sollen... Sie sind nicht immun.«
Victor stand von seinem Terminal auf und trat ans Fenster. Wolken zogen von Osten heran. Es würde Regen oder Schnee geben.
Er blieb
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