Das Ungeheuer
Mary auf den Entbindungstisch hinüberlegten, und sagte leise: »Es geht prima. Und es ist fast vorüber.«
»Legen wir sie auf die Seite!« sagte Dr. Whitehead, die Anästhesistin, zu den Krankenschwestern; dann nahm sie Marys Arm. »Ich gebe Ihnen jetzt die Epiduralanästhesie.«
»Ich glaube, sie möchte keine Epiduralanästhesie«, wandte Victor ein und trat an den Entbindungstisch. »Vor allem nicht, wenn Sie sie kaudal geben wollen.«
»Dr. Frank!« sagte Dr. Stedman streng. »Sie haben jetzt die Wahl: Sie hören entweder auf, sich einzumischen, oder Sie verlassen den Entbindungsraum! Entscheiden Sie sich!« Es reichte ihm nun; er hatte schon eine ganze Reihe von Franks Befehlen hingenommen. So hatte er beispielsweise jeden bekannten vorgeburtlichen Test durchgeführt, einschließlich einer Amniozentese und einer Chorionzottenbiopsie. Er hatte Mary sogar erlaubt, in einem frühen Stadium der Schwangerschaft drei Wochen lang ein Antibiotikum namens Cephaloclor einzunehmen. Vom medizinischen Standpunkt aus hatte er nichts von alldem für angezeigt gehalten, aber er hatte es hingehen lassen, weil Dr. Frank darauf bestanden hatte und weil die Situation durch die Leihmutterschaft einzigartig war. Da Mary keine Einwände erhoben, sondern erklärt hatte, dies sei alles Bestandteil ihrer Abmachungen mit den Franks, hatte er nichts dagegen gehabt, sich zu fügen. Aber das war während der Schwangerschaft gewesen. Mit der Entbindung war es eine andere Sache, und Stedman hatte nicht die Absicht, eines neurotischen Kollegen wegen bei seinen Methoden Kompromisse einzugehen. Was für eine medizinische Ausbildung hatte Frank eigentlich? fragte er sich. Zweifellos konnte er sich doch an die üblichen Operationsverfahren halten. Dennoch stellte er hier jede Anweisung in Frage, die Stedman gab, und bei jedem Schritt trug er Bedenken vor.
Ein paar angespannte Sekunden lang starrten er und Frank einander an. Victor Frank ballte die Fäuste, und für einen Moment glaubte Stedman, der Mann werde ihn schlagen. Aber der Augenblick ging vorüber, und Frank drückte sich nervös in eine Ecke.
Victor Franks Herz raste, und er hatte ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Bitte mach, daß es ein normales Baby wird! betete er bei sich. Er schaute zu seiner Frau hinüber, und seine Augen schwammen in Tränen. Sie hatte sich das zweite Baby so sehr gewünscht... Er merkte, daß er wieder zu zittern begann, und schalt sich innerlich. Ich hätte es nicht tun sollen. Aber bitte, Gott - laß dieses Baby gesund sein! Er schaute zur Uhr hinauf. Der große Zeiger schien sich langsam um das Zifferblatt herumzuschleppen. Er fragte sich, wie lange er die Anspannung noch würde ertragen können. Dr. Whiteheads geschickte Hände hatten das Analgetikum in Sekundenschnelle verabreicht. Marsha hielt Marys Hand und lächelte ermutigend, während die Schmerzen allmählich nachließen. Das nächste, was Mary mitbekam, war, daß jemand sie weckte und ihr sagte, nun sei es Zeit, zu pressen. Das zweite Stadium der Entbindung ging rasch und reibungslos vorüber, und um achtzehn Uhr vier war ein kräftiger Victor Frank Jr. geboren.
Im Augenblick der Geburt stand Victor unmittelbar hinter Stedman; mit angehaltenem Atem versuchte er, soviel wie möglich zu sehen. Als das Kind da war, inspizierte er es hastig, während Dr. Stedman die Nabelschnur abklemmte und durchschnitt. Stedman reichte das Baby dem wartenden Kinderarzt, und Victor folgte ihm zu dem vorgewärmten Säuglingstisch. Der Arzt legte das stille Kind auf den Tisch und untersuchte es rasch. Erleichterung durchströmte Victor. Das Kind schien normal.
»Apgar zehn«, sagte der Kinderarzt; Victor Jr. hatte den höchstmöglichen Wert erreicht.
»Wunderbar«, sagte Dr. Stedman, der noch mit Mary und der bevorstehenden Nachgeburt beschäftigt war.
»Aber er schreit nicht«, stellte Victor fest. Zweifel überwölkten seine Euphorie.
Der Kinderarzt schlug Victor Jr. mit leichter Hand auf die Fußsohlen und rieb ihm dann den Rücken. Der Säugling blieb ruhig. »Aber er atmet prima.«
Der Arzt nahm die Gummipumpe und wollte noch einmal Victor Jr.s Nase durchpusten. Zu seinem Erstaunen hob das neugeborene Kind die Hand, entriß ihm den Gummiball und warf ihn seitlich vom Tisch.
»Na, das wäre geklärt«, sagte der Arzt glucksend. »Er will einfach nicht schreien.«
»Darf ich?« fragte Victor und deutete auf das Baby.
»Solange ihm nicht kalt wird.«
Behutsam trat Victor an den Tisch und hob Victor Jr.,
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