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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Psychiaterin, und um ehrlich zu sein, ich mache mir seinetwegen ein bißchen Sorgen. Ich weiß, daß seine Zensuren gut sind, aber ich frage mich, wie er so allgemein zurechtkommt.« Sie schwieg; sie wollte Mr. Remington nichts in den Mund legen.
    Der Schuldirektor räusperte sich. »Als man mir mitteilte, daß Sie da sind, habe ich mir schnell VJs Akte vorgenommen.« Er tippte auf die Akte, wechselte dann die Position und legte das andere Bein übers Knie. »Ehrlich gesagt, wenn Sie nicht vorbeigekommen wären, hätte ich Sie zum Ferienende angerufen. VJs Lehrer sind ebenfalls besorgt um ihn. Trotz seiner exzellenten Leistungen scheint VJ ein Konzentrationsproblem zu haben. Seine Lehrer sagen, er verliert sich oft in Tagträumen oder in seiner eigenen Welt – obwohl er, wie sie zugeben, stets die richtige Antwort bereit hat, wenn sie ihn aufrufen.«
    »Weshalb machen die Lehrer sich dann Sorgen?« fragte Marsha.
    »Ich glaube, wegen der Prügeleien.«
    »Prügeleien!« rief Marsha. »Ich habe noch nie ein Wort über Prügeleien gehört!«
    »Es hat allein in diesem Jahr vier oder fünf Fälle gegeben.«
    »Warum hat man mich darüber nicht informiert?« fragte Marsha einigermaßen empört.
    »Weil VJ uns ausdrücklich darum gebeten hat, es nicht zu tun.«
    »Das ist doch absurd!« Marsha wurde lauter. »Wieso nehmen Sie Anordnungen von VJ entgegen?«
    »Augenblick, Dr. Frank!« sagte Mr. Remington. »In allen Fällen war es für den anwesenden Mitarbeiter ersichtlich, daß Ihr Sohn ernsthaft provoziert worden war und daß er seine Fäuste nur als letztes Mittel benutzt hatte. Jedesmal war es darum gegangen, daß ein bekannter Streithammel in anscheinend kindischer Weise auf die... äh, Besonderheit Ihres Sohnes reagiert hatte. Die Sache war jedesmal völlig eindeutig. VJ hatte nie die Schuld, war niemals der Anstifter. Infolgedessen haben wir seinen Wunsch respektiert.«
    »Aber es hätte ihm etwas passieren können.« Marsha ließ sich auf ihren Stuhl zurücksinken.
    »Das ist die andere Merkwürdigkeit«, sagte Mr. Remington. »Für einen Jungen, der sich aus Sport nichts macht, hat VJ sich bewundernswert gut zu halten gewußt. Einer der anderen Jungen hatte am Ende ein gebrochenes Nasenbein.«
    »Mir scheint, ich erfahre in letzter Zeit eine Menge Neues über meinen Sohn«, stellte Marsha fest. »Wie steht es mit Freunden?«
    »Er ist ein ziemlicher Einzelgänger«, antwortete Mr. Remington. »Genau gesagt, seine Beziehung zu den anderen Schülern ist überhaupt nicht gut. Dabei ist im allgemeinen keine Feindseligkeit im Spiel. Er kümmert sich einfach um >seinen eigenen Kram<.«
    Das war nicht das, was Marsha hören wollte. Sie hatte gehofft, ihr Sohn wäre in der Schule geselliger als zu Hause. »Würden Sie VJ als glückliches Kind bezeichnen?« fragte sie.
    »Das ist eine schwierige Frage«, sagte Mr. Remington. »Ich habe nicht das Gefühl, daß er unglücklich ist. Aber VJ zeigt eigentlich nie viel Emotion.«
    Marsha runzelte die Stirn. Diese Gefühlsflachheit klang schizoid. Das Bild wurde schlimmer statt besser.
    »Einer unserer Mathematiklehrer, Raymond Cavendish«, berichtete Mr. Remington, »hat sich besonders für VJ interessiert. Er hat enorme Anstrengungen unternommen, in — wie er sagte - VJs Privatwelt einzudringen.«
    Marsha beugte sich vor. »Wirklich? Und hatte er Erfolg?«
    »Leider nicht. Aber ich erwähnte es, weil Raymond das Ziel hatte, VJ für außerschulische Aktivitäten wie Sport zu gewinnen. VJ war nicht besonders interessiert, obwohl er ein angeborenes Talent für Basketball und Fußball hat. Aber ich stimme mit Raymonds Ansicht überein: VJ muß andere Interessen entwickeln.«
    »Was hat Mr. Cavendishs Interesse für meinen Sohn geweckt?« wollte Marsha wissen.
    »Anscheinend war er beeindruckt von VJs mathematischen Fähigkeiten. Er hat VJ in eine Begabtenklasse gesteckt, zu der Kinder verschiedener Jahrgangsstufen gehörten. Jeder durfte in seinem eigenen Tempo arbeiten. Eines Tages, als er einigen High-School-Kindern bei einem Algebraproblem half, bemerkte er, daß sich VJ in einem Tagtraum verloren hatte. Er rief ihn an, damit er weiterarbeitete. VJ glaubte, er sei gefragt, und lieferte daraufhin zu jedermanns Erstaunen die Lösung zum Problem der High-School-Kinder.«
    »Das ist unglaublich«, sagte Marsha. »Wäre es möglich, daß ich mit Mr. Cavendish spreche?«
    Mr. Remington schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Mr. Cavendish ist vor zwei Jahren gestorben.«
    »Oh, das

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