Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
los, Kumpel? Dein Kaffee hat ja fast schon Minustemperaturen!“
Mit diesen Worten drückte Bokan seinem Kollegen den Becher in die Hand, um sich selbst an der Maschine zu bedienen.
„Sag mal …“, begann Zarail, den Blick starr durch die unappetitlich aussehende Kaffeebrühe hindurch auf ein weit von der Realität entferntes Ziel gerichtet.
„Hmmm?“, brummte Bokan, seinerseits sehr fixiert auf den Flüssigkeitsstrahl, der sich in seinen Becher ergoss.
„Warst du schon einmal verliebt?“
Bokans Lachen überraschte ihn, seine Antwort dagegen war eine herbe Enttäuschung. „Klar, in jedes hübsche Paar Brüste, die an mir vorbeigehen.“
„Nein ich meine, hast du schon einmal tiefe Gefühle für jemanden empfunden? So, dass du dich für diese Person ohne nachzudenken vor die nächste Metro geworfen hättest?“
Geschlagene fünf Sekunden starrte Bokan ihn an. Dann fragte er: „Warum in aller Welt sollte ich mich vor die Metro werfen wollen?“
Bokans Unverständnis ärgerte Zarail genauso sehr wie seine eigene Naivität – schließlich wusste er, dass die Mitarbeiter des Centers zum größten Teil der neuen Generation angehörten. Er selbst war bisher von den Widrigkeiten zu großer Emotionen verschont geblieben. Irela war die einzige Ausnahme, nicht einmal seine Familie konnte einen ähnlichen Platz einnehmen. Nicht nach dem Tod seiner Mutter, und damals war er noch ein Kind gewesen. Zuneigung war eine Schwäche, von der er geglaubt hatte, sie mit dem Älterwerden abgelegt zu haben.
Bis Irela gekommen war.
Zarail nippte an seinem kalten Kaffee, nur um festzustellen, dass er tatsächlich ungenießbar geworden war. Mit angewidertem Gesicht beförderte er den Becher in die nächste Mülltonne. Ein leises Rumpeln war die Folge.
Verwundert sah er in die Tonne. Der Becher lag unschuldig zwischen all dem anderen Abfall. Wieder ertönte ein Rumpeln, lauter diesmal. Und von einem leichten Beben begleitet.
Dann brach plötzlich die Hölle los.
Die per Funksignal gezündeten Thermitladungen folgten den etwas verfrüht ausgelösten Sprengkörpern in den oberen Geschossen und durchtrennten gezielt die tragenden Stahlpfeiler. Leider waren die restlichen Sprengladungen weniger exakt angebracht worden. Sämtliche explosiven Stoffe, die die Puristen zusammengetragen hatten, waren ohne Rücksicht auf ihre unterschiedlichen Eigenschaften im gesamten Center verteilt worden.
So kam es, dass das gigantische Hochhaus zwar im ersten Moment wie geplant zusammensackte – Irelas Abteilung war unter den Ersten, die zwischen den Etagen über und unter sich zu kaum mehr als Staub zermalmt wurden – dann jedoch bedenklich zu wanken begann.
Während auf der einen Seite Menschen, Möbel und Versuchstiere gleichermaßen aus den immer noch nicht bruchfesten Fenstern geschleudert wurden, kämpften auf der anderen Seite die Leute darum, freiwillig diesen Weg zu gehen, um den herabfallenden Betonbrocken und dem Feuer zu entkommen, das die durchtrennten elektrischen Leitungen entfacht hatten. Aufgrund der Schräglage des Centers war das jedoch beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.
Dann zündeten endlich die Sprengladungen in der Mitte des Gebäudes und setzten damit die unterbrochene Kettenreaktion erneut in Gang. In Flammen und Staub implodierte das Zentrum der modernen Genforschung, ließ Schutt, Glassplitter und Glut auf die Straße herabprasseln und kollabierte schließlich zur Gänze, wobei es das nebenstehende Gebäude mit sich riss und diejenigen, die sich aus den untersten Stockwerken ins Freie gerettet hatten, unter sich begrub.
Eine Wolke aus den Staubpartikeln des Centers und seiner Insassen raste durch die umliegenden Straßen und bedeckte alles mit einer weißen, grauenvollen Schicht.
Als der Staub sich legte, sah man eine einzelne, schlanke Säule an der Stelle des Centers stehen. Der Belüftungsschacht, der den Kollaps wie durch ein Wunder überstanden hatte.
Von Zarails Zweifeln an seiner Ehe erfuhr man ebenso wenig wie von dem Heroismus, mit dem er versuchte hatte, Bokan ins Treppenhaus und nach unten zu schicken, um selbst nach seiner Frau zu sehen.
Zu seinem Glück fand auch Zarail nicht mehr heraus, dass alle seine Ängste der Realität entsprochen und Irelas Überstunden auf dem Schreibtisch von Telan Reszar stattgefunden hatten.
Das Krachen war selbst in der Unterstadt ohrenbetäubend, die Erschütterungen so stark, dass an der Höhlendecke zahlreiche Risse entstanden, aus denen Staub und Erde
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