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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Sommer ist das halb so schlimm«, beruhigte ihn Emil Langhans. »Du wirst sehen, in fünf Minuten ist der ganze Zauber vorbei.«
    Doch vorerst kamen die Blitze vom Zobelsberg herüber, immer näher. Sie flammten auf, schlugen irgendwo ein; und nach jedem blauen Blitz das Grollen des Donners. Jetzt war das Gewitter direkt über ihnen. Als die grelle Helligkeit den Wald für den Bruchteil einer Sekunde erleuchtete, entdeckten sie undeutlich die Umrisse eines Hauses.
    »Los, nichts wie rüber!« rief der Boß. »Da können wir uns unterstellen.«
    Augenblicklich war ihre Beklommenheit verschwunden. Sie packten ihre Fahrräder und stiefelten verbissen los.
    »Das ist ja wie im Märchen«, sprudelte Karlchen Kubatz aufgeregt heraus. »Ein Haus mitten im Wald, und wir haben nie ein Wort davon gehört. Das kann doch nicht wahr sein.«
    Im selben Augenblick legte sich der Sturm, die Bäume beruhigten sich wieder, und der Regen hörte schlagartig auf. Jetzt tropfte es nur noch vom Laub und von den Ästen herunter. Genauso plötzlich, wie es sie überrascht hatte, war das Gewitter über sie hinweggezogen. Das Grollen des Donners entfernte sich und war bald nicht mehr zu hören. Wenn die Richtung einigermaßen stimmte, dann würde Bad Rittershude jetzt den ganzen Feuerzauber über sich haben.
    Das Haus sah verschlossen aus, unzugänglich und dichtgemacht. Nirgendwo war ein Licht zu sehen. Die Fassade war abgebröckelt, und die verwitterten Fensterläden waren geschlossen. Aber das Gebäude mußte bessere Zeiten gesehen haben. Trotz seiner Verkommenheit wirkte es abweisend und überheblich, wie jemand, der ins Alter und in Armut gekommen ist. Es gab angebaute Terrassen und einen überdachten Balkon. Ein kleiner Turm zierte das Dach, und zu dem herrschaftlichen Eingang führte eine Treppe, die von Säulen flankiert war. Treppe und Säulen waren zerfallen. Büsche und Sträucher eines verwilderten Gartens verdeckten das Erdgeschoß. Das Grundstück mußte schon lange dem Verfall überlassen worden sein.
    »Ich bin sprachlos und neugierig«, erklärte Emil Langhans überwältigt.
    Sie standen mit ihren Fahrrädern jetzt vor dem kunstgeschmiedeten Tor. Es hing schief in seinen Angeln, weil ein tragender Pfeiler eingesunken war. Eine derbe Kette hing, zweimal herumgeschlungen und von einem verrosteten Vorhängeschloß zusammengehalten, zwischen den Eisenstangen, die wie Lanzen nebeneinanderstanden.
    »So wie das aussieht, wohnt hier niemand«, stellte Emil Langhans fest. Er flüsterte unwillkürlich.
    Nebel schwebte noch zwischen den Bäumen, aber die Sonne löste ihn bereits wieder auf und breitete sich aus. Man sah ihre Reflexe in den Fenstern des kleinen Turmes mit der Zwiebelmütze, und ihr licht glitzerte über das nasse Schieferdach.
    »Wir könnten über die Mauer klettern«, schlug Sputnik vor.
    »Und was sagst du dann, wenn doch jemand auftaucht?« fragte Karlchen Kubatz.
    Jedenfalls waren sich die Glorreichen Sieben darüber im klaren, daß man dieses Haus nicht einfach links liegenlassen konnte wie eine Straßenbahnhaltestelle. Ihre Neugier war geweckt und ihr Forschungstrieb nicht mehr aufzuhalten.
    Sie beschlossen, das Grundstück an der Mauer entlang zu umgehen. Vielleicht gab es von einer anderen Stelle aus einen besseren Einblick. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Der größte Teil des Hauses blieb hinter der grünen Kulisse verborgen. Nur der zierliche Turm auf dem Dachfirst ragte über die Mauern.
    Da entdeckte Manuel Kohl die Seitenpforte. Sie hatte grobe, kräftige Bohlen mit einer robusten Nagelung. Efeu hing wie die Enden von Papierschlangen über die Mauer herunter.
    »Mir qualmt die Rübe«, flüsterte der Boß. »Wir müssen es riskieren.« Er ließ sein Fahrrad ins Gras kippen. »Wir müssen ganz einfach.«
    »Macht des Schicksals«, raunte Sputnik theatralisch und entledigte sich gleichfalls seines Drahtesels.
    Emil Langhans drückte die Klinke, und neben ihm stemmte sich der Boß mit seiner Schulter gegen das alte Holz.
    Es quietschte und knarrte.
    »Sie bewegt sich«, piepste Manuel Kohl atemlos.
    Tatsächlich hatte die Pforte nachgegeben. Aber nur bis zu einem schmalen Spalt. Dann sperrte sie sich wieder. Abgebröckeltes Gestein, altes Laub und abgebrochene Äste hinderten sie daran, sich weiter zu öffnen.
    Doch für Karlchen Kubatz und Manuel Kohl war der Durchgang breit genug. Sie zwängten sich hindurch und räumten den angehäuften Schutt so weit zur Seite, wie es nötig war, um auch die

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