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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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fertig.
    Er hatte sich beeilt, weil er geradezu darauf brannte, die Glorreichen einzuweihen und ihre Meinung zu erfahren. Aber dann wurde ihm bewußt, daß es ja total sinnlos war, sich verrückt zu machen. Man hatte sich für zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn verabredet, und keiner würde auch nur eine Minute früher im Schulhof herumstehen.
    So kam es, daß Karlchen zum Frühstück fast zehn Minuten früher erschien als gewöhnlich. Er mußte den Kaffee heute also nicht wie ein Marathonläufer am Rand der Rennstrecke im Stehen in sich hineinschütten. So ähnlich war es nämlich zum Kummer von Mutter Kubatz fast täglich. Und leider gab der Hausherr seinem Sohn in dieser Beziehung kein gutes Beispiel. Manchmal stürzte er sogar aus dem Haus und in sein knallrotes Cabrio, um zur Redaktion zu röhren, ohne auch nur einen einzigen Bissen im Magen zu haben.
    »Warum eigentlich nicht immer so?« fragte Frau Kubatz, als Karlchen ihr bereits eine ganze Weile gegenübersaß und sich schon zum zweitenmal einen Löffel mit Kirschmarmelade auf seinen Teller klatschte. Der Chefredakteur köpfte währenddessen sein Frühstücksei, und Maria kam mit frischgebrühtern Kaffee aus der Küche. Der Setter namens Nepomuk war draußen im Garten und schnappte nach Fliegen.
    »Übrigens dein Aufsatzheft...« sagte Herr Kubatz nach einer kleinen Pause und ohne auf die Frage seiner Frau einzugehen.
    »Hast du schon reingeguckt?« wollte Karlchen neugierig wissen.
    »Ja, gestern abend im Bett«, erwiderte der Chefredakteur. »Mit der Zwei hat dich Dr. Purzer glänzend bedient. Bei mir hättest du gerade noch eine Drei kassiert.«
    »Hab’ ich ja Schwein gehabt, daß du kein Pauker geworden bist«, meinte Karlchen und grinste. Er war viel zu gut aufgelegt, um sich seine gute Laune verderben zu lassen.
    »Aber als du das Heft weggelegt und das Licht ausgemacht hast, sagtest du, daß der Aufsatz verteufelt gut sei«, warf Frau Kubatz dazwischen.
    »So? Hab’ ich das wirklich gesagt?« fragte der Chefredakteur und tat ganz verwundert. »Nun, ich behaupte ja nicht, daß er schlecht ist.« Er nahm einen Schluck Orangensaft. »Vor allem sind es ein paar Übertreibungen, die mir nicht gefallen. Phantasie ist ja schön und gut, aber man darf sie nicht wie Unkraut wuchern lassen.«
    »Besser ein bißchen mehr Phantasie als zuwenig«, bemerkte Karlchen knochentrocken.
    Herr Kubatz blickte auf. »Hallo, dieser Ton ist mir doch nicht unbekannt?« sagte er. »Wenn ich mich nicht verhört habe, dann willst du etwas ganz Bestimmtes loswerden? Komm, raus mit der Sprache.«
    »Also — Herr Wildenbusch vom Kiosk am Richard-Wagner-Platz hätte gegen etwas mehr Phantasie bei deiner Zeitung überhaupt nichts einzuwenden«, erwiderte Karlchen. Dabei beschäftigte er sich wieder mit der Kirschmarmelade und nahm seinen Blick nicht vom Teller. »Beispielsweise sei die gestrige Schlagzeile der Bad Rittershuder Nachrichten mit dem Ehepaar aus Hannover ein ziemlich müdes Ei gewesen.«
    Das Kinn auf seine Hände gestützt, hatte Herr Kubatz seinen Sohn, ohne das Gesicht zu verziehen, aufmerksam beobachtet. Jetzt schielte Karlchen unsicher zu ihm hinüber. Eine ganze Weile blickten sich die beiden wortlos in die Augen. Aber dann zuckte es in den Mundwinkeln des Chefredakteurs, bis er sein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Karlchen und seine Mutter begnügten sich mit einem kleinen Grinsen.
    »Eins zu null für dich«, sagte Vater Kubatz, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Die gestrige Schlagzeile war tatsächlich keine Offenbarung.« Er wischte sich mit der Serviette über die Lippen. »Ich werde Herrn Wildenbuschs Kritik an meine Redaktion weitergeben, und wir versuchen uns zu bessern.« Er stand auf und wäre beinahe mit seinem Sohn zusammengestoßen, denn auch Karlchen war im selben Augenblick von seinem Stuhl aufgesprungen.
    »Das Mittagessen muß ich heute leider sausenlassen«, sagte Herr Kubatz, als er seine Frau neben die Stirn ins Haar küßte. »Aber die englische Königin hat übermorgen Geburtstag, und das gibt in unserer Sonntagsausgabe zwei Mittelseiten. Dazu muß ich mir im Archiv ihren Lebenslauf vorknöpfen und die passenden Fotos aussuchen.«
    Karlchen war bereits an der Tür. Er blieb stehen, überlegte kurz und drehte sich um. »Sag mal, sammelt dein Zeitungsarchiv vielleicht auch Material über alte Häuser? Könnte ja sein, daß sie eine interessante Vergangenheit haben...«
    Der Chefredakteur packte auf seinem Schreibtisch noch

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