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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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thronte darüber, welches Primus mit funkelnden Augen anblickte.
    Welcherart Zauber den alten Spiegel irgendwann einmal zum Leben erweckt hatte, war Primus gänzlich unbekannt. Der Spiegel sprach hochgebildet und hatte bemerkenswert kultivierte Umgangsformen. Allerdings war das nicht immer der Fall, da er auch genauso gehässig und ausgekocht sein konnte. Ihn überheblich zu nennen wäre wohl untertrieben gewesen, wenn er von oben herab seine Kommentare gab oder Primus auslachte, dass die Wände wackelten. Doch dann gab es wiederum Momente, in denen ihm der Spiegel mit sehr nützlichen Ratschlägen zur Seite stand – auch wenn er seine Hinweise gerne in Rätseln versteckte.
    »Ich bin mir sogar absolut sicher, dass ich heute Nacht eine Tür finden werde«, antwortete Primus, als er wieder durch das Fernrohr blickte. »Warte nur ab, es kann nicht mehr lange dauern.« Er stellte die Linse scharf, um sich die Kobolde genauer anzusehen.
    Es waren etwa vierzig kleine Gestalten, die gar fröhlich im Gänsemarsch über die Hügel zogen. Die Kobolde am Anfang des Zugs spielten auf ihren Musikinstrumenten, während die anderen im Schein ihrer Bergwerkslampen munter hinterherspazierten. Kobolde machten grundsätzlich gerne Musik, sofern sie einmal Zeit dafür hatten. Sie spielten Flöte, Fiedel, Dudelsack oder Maultrommel. Genauso die Kobolde dort unten. Einige hatten sogar Trompeten und dicke Pauken dabei. Die Hügelkobolde waren allesamt drahtig und klein, hatten dünne Beinchen, aber relativ große Köpfe. Sie trugen spitze Stoffschuhe und breite Gürtel, hatten Mützen oder Kapuzen auf. Die Truppe bestand jedoch nicht nur aus Männern. Es waren auch viele Koboldfrauen dabei, die mit großen Hauben und Pluderröcken wackelnd zur Marschmusik tanzten.
    Primus musterte sie genau. »Jammerschade«, murmelte er. »Von der ganzen Truppe kenne ich keinen Einzigen. Das hätte die ganze Sache sonst vielleicht ein wenig einfacher gemacht.«
    »So?«, sprach der Spiegel mit erhobenem Haupt. »Was hättest du denn gesagt, wenn du einen von ihnen gekannt hättest und sich gleichzeitig eine der geheimen Türen öffnen würde? Wärst du dann vielleicht zufällig vorbeigeflattert und hättest beiläufige Sprüche von dir gegeben, wie zum Beispiel: Hallo, werte Leute. Ach, was für ein Zufall, da wollte ich auch gerade rein. Oder: Entschuldigt bitte, könntet ihr mich vielleicht vorbeilassen? Ich habe es heute wieder einmal schrecklich eilig.« Der Spiegel brach in schallendes Gelächter aus.
    Doch Primus ließ sich nicht beirren. »Ich werde das schon hinkriegen«, murrte er, »mach dir bloß keine Sorgen.«
    Dann verstummte er. Die Kobolde wanderten jetzt auf einen mittelgroßen Hügel zu, der nicht weit vom Rand des Finsterwaldes entfernt lag. Voller Spannung wartete Primus darauf, was nun passieren würde. Und siehe da, mit einem Mal leuchtete ein heller Fleck auf der Vorderseite des Hügels auf. Genau, wie er erwartet hatte. Kurz darauf erschien eine kreisrunde Pforte, die sich langsam öffnete. Die Kobolde schritten darauf zu und Primus gab einen jubelnden Aufschrei von sich.
    »Da ist die Tür«, rief er freudig, »ich habe es doch gewusst.« Sogleich wollte er zum Fenster hinausfliegen, machte dann aber wieder kehrt. »Moment mal«, sagte er und schaute sich die Situation noch einmal durchs Fernrohr an. »Gut, den kenne ich. Das ist der dritte Hügel vor dem Wald und der vierte links vom Mondwassersee. Das wäre ja gelacht …«
    Mit diesen Worten breitete er seine Flügel aus, schwang sich aus dem Fenster und zischte wie der Wind den Turm hinunter.
    Snigg saß zu dieser Zeit gerade wieder einmal genüsslich kauend auf seinem Komposthaufen. Verwundert blickte er nach oben, als er das Rauschen vernahm. Dem Kürbis stand der Mund so weit offen, dass ihm das Essen wieder herausfiel, als er die Fledermaus von oben auf sich herabstürzen sah. Er zog den Kopf ein und Primus schoss pfeifend über ihn hinweg.
    »NA HÖR MAL«, rief Snigg. »Geht das vielleicht auch, ohne dass du mich über den Haufen fliegst? Ich bin gerade beim Essen!« Nach einer kurzen Pause hüpfte er neugierig auf die Gartenmauer und blickte Primus in Richtung Waldrand hinterher. »Da muss es heute irgendwo etwas ganz Besonderes geben, so wie der rast. Das wollen wir uns doch gleich einmal ansehen.«
    Er sprang von der Mauer und hoppelte der Fledermaus wie ein dicker Ball hinterher.
    Primus war inzwischen an jenem Hügel angekommen, an dem er zuvor die Tür gesehen

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