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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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erstickt und endete in einem kreischenden Gurgeln, als er frontal gegen einen der Felsbrocken stieß. Doch dieser Felsen war seine Rettung. Jetzt musste er springen, dachte er. Ganz egal in welche Richtung – er hatte ja sowieso keine Orientierung mehr. Nur raus aus dem Bach! Snigg sprang in die Höhe, überschlug sich und landete krachend auf einem Stein. Neben ihm stürzte der Bach in die Tiefe.
    Kopfüber lag er da und rang nach Luft. Er hörte sich an wie Bucklewhees quietschendes Scherengitter, als er mit den Pfirsichen im Mund zu atmen versuchte. Langsam fing er an zu kauen, schluckte die Stücke hinunter und spuckte die Kerne in hohem Bogen aus.
    »Hhhhhh, hhhhhh, also die … hhhhhh … waren jetzt … aber wirklich köstlich«, hechelte er.
    Nach einiger Zeit raffte er sich auf. Er rutschte zur Kante des Felsens und blickte in den Spalt. Das Wasser fiel etwa dreißig Fuß senkrecht nach unten, wo es spritzend auf einem Felsvorsprung auftraf. Hier schwammen auch die restlichen Pfirsiche, die er nicht mehr hatte retten können. Aber damit nicht genug! Mit Verwunderung entdeckte er eine große Anzahl alter Eisenbügel, die verrostet in der Steinwand steckten. Wie eine Leiter führten diese zum Felsvorsprung hinunter. Der besagte Vorsprung war nicht viel mehr als ein kleines Podest, von dessen Rand aus das Wasser weiter in die Tiefe stürzte.
    Snigg beugte sich vor. Da unten war doch noch etwas oder täuschte er sich?! Denn genau an jener Stelle, wo die Eisenbügel endeten, schien sich eine kleine Höhle zu befinden. Oder war es gar ein Gang, der ins Innere des Felsens führte? Genau konnte er es nicht erkennen.
    Traurig musste er zusehen, wie seine Pfirsiche von einem Strudel erfasst wurden und über die Kante des Vorsprungs nach unten sausten. Sie wurden immer kleiner, bis sie in der Dunkelheit verschwanden. Wie tief sie fielen, das konnte Snigg nicht sehen, und was dort unten in der Finsternis lag, erst recht nicht.
    Primus schlief zu dieser Zeit noch immer tief und fest. Von allen Beteiligten hatte ihn die Hetzjagd in der letzten Nacht am meisten mitgenommen. Von draußen schien die Sonne herein und strahlte durch das Dachfenster auf sein Bett. Eingerollt lag er unter der karierten Decke, die sich bei seinen Atemzügen langsam hob und senkte. Ein Zucken ging durch seinen Körper, gefolgt von einem tiefen Seufzen. Primus träumte.
    Es war ein seltsamer Traum, fremdartig und dennoch so vertraut. Es war einer jener Träume, bei welchen man denkt, man würde sie schon kennen und die man offenbar nicht zum ersten Mal durchlebt. Primus drehte sich auf die Seite und vergrub den Kopf im Kissen.
    Im Traum blickte er über die weiten Nebelfelder, die vor seinen Augen im Licht einer Sommernacht lagen. Der Vollmond thronte über den Hügeln und mit seinen weißen Gipfeln erhob sich in der Ferne das schneebedeckte Bleigebirge. Leichten Fußes schritt Primus durch das Gras. Blütensamen tanzten in der Luft und ein warmer Windhauch streifte über seine Haut. Dann drehte er sich um. Auf seinem schlafenden Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab, als er im Traum seinen Turm erblickte. Prächtig stand dieser im Mondlicht und beinahe wirkte er so, als hätte man ihn erst vor wenigen Jahren erbaut. Der Putz zwischen dem Fachwerk erstrahlte in hellem Weiß, das Dach war gedeckt und alle Mauern waren frei von Moos.
    Primus sah an seinem Körper herab. Seine Schuhe glänzten wie frisch poliert und auch seine Kleider waren sauber gebügelt. In Freude schritt er auf den Hügel zu und blickte zum Turm empor. Doch was war das? Er war nicht allein! Dort oben schien jemand auf ihn zu warten. Im Schatten neben der Eingangstür stand ein alter Mann. Gebückt stützte er sich auf einen Stock und winkte zu Primus hinunter. Ein Gefühl der Vertrautheit breitete sich in ihm aus. Primus hob den Arm und winkte zurück. Dann begann er zu laufen. Er hatte den Hügel fast erreicht, als er plötzlich ein helles Klingeln vernahm. Gebannt blieb er stehen. Es hörte sich an wie das Klingeln von Glöckchen oder kleinen Schellen. Mit Unbehagen drehte er sich um.
    Der Mond stand jetzt um einiges tiefer über den Feldern und war weitaus größer als jemals zuvor. Primus schärfte seinen Blick. Da hinten schien sich etwas zu bewegen – eine kleine Gestalt, die über die Hügel sprang. Mit spindeldürren Beinen und einer Narrenkappe auf dem Kopf hüpfte sie wie eine Gämse umher. Hoch und runter, hin und her und Stück für Stück immer näher auf

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