Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
Vom Netzwerk:
Seiten im Dachzimmer um. Der Konditor war weg. Erleichtert atmete er durch.
    »Was für ein Albtraum«, seufzte er, nachdem er seine Gedanken wieder geordnet hatte. »Die leckersten Torten der Welt standen vor meiner Nase und keine einzige habe ich probieren können.«
    Er schloss seine Augen und dachte an die Plätzchen.
    Auf einmal fuhr er zusammen. Träumte er etwa immer noch oder warum nahm das Krachen des Brotschubers kein Ende? Bumm, bumm, bumm hallte es durch den Turm. Primus rieb sich die Augen. Er war sich ganz sicher, dass er nicht mehr schlief, und auch, dass ihn der Konditor nicht weiter verfolgte.
    »Woher kommt denn dieser Lärm?«, brummte er. »Da wackelt ja das ganze Haus.«
    »Der kommt von unten«, ertönte Bucklewhees Stimme. »Da ist jemand an der Eingangstür.«
    Schlaftrunken blickte Primus zum Uhrenkasten hinauf. Der knochige Vogel lehnte wie ein neugieriger Hausbewohner über dem Klappenrand.
    »Erwartest du etwa Besuch?«, fragte Bucklewhee.
    »Besuch?« Primus schielte zur Decke. In zweihundert Jahren hatte er noch nie Besuch bekommen. Wer konnte das nur sein? Doch dann fiel es ihm wieder ein. Er stand auf und zog seinen Frack zurecht.
    »Jetzt mach schon auf und sieh nach, wer das ist«, drängelte Bucklewhee.
    Primus streckte sich. »Immer mit der Ruhe. Ich kann mir schon denken, wer da klopft.«
    Er verwandelte sich und flog ins Kaminzimmer. Dort landete er auf dem Fensterbrett, von wo er durch das Loch in der Glasscheibe zum Garten hinunterblickte. Neben der Treppe zur Eingangstür stand Miss Plim.
    Inzwischen musste es wohl schon auf Mittag zugehen, denn die Sonne stand hoch über den Feldern. Geblendet kniff Primus die Augen zusammen. Der Himmel erstrahlte in tiefstem Blau und das Wasser des Schneckenbachs glitzerte ihm von weitem entgegen. Der Regen der vergangenen Nacht hatte in kürzester Zeit alles zum Blühen gebracht. Mohn- und Kornblumen bedeckten die Nebelfelder, und auch die Sonnenblumen vor dem Gartentor reckten ihre Köpfe zum Himmel.
    »Hallo, Plim!«, rief er ihr zu. »Ich bin hier oben.« Er winkte mit dem Flügel.
    Plim schaute zu ihm herauf. »Na endlich«, antwortete sie. »Wo bleibst du denn? Ich stehe hier schon seit einer Ewigkeit. Hast du etwa bis jetzt geschlafen?«
    Primus knurrte. Na, die hat gut reden, dachte er. Wahrscheinlich lag Madame schon längst im Bett, als er sich noch auf den Weg zum Tunnel gemacht hatte. Aber ihm war jetzt nicht danach, lange Geschichten zu erzählen. Stattdessen nickte er behäbig mit dem Kopf.
    »Mir war heute irgendwie nach ausschlafen zu Mute«, sagte er. »Aber komm erst mal rein. Ich warte einstweilen hier oben auf dich.«
    Primus drehte sich um und flog zum Kamin. Dort nahm er seine menschliche Gestalt an und ließ sich in den Sessel fallen. Plim hätte sich ruhig ein wenig Zeit lassen können, dachte er. Am liebsten wäre er noch mal ins Bett gegangen. Er legte den Kopf in den Nacken und setzte zu einem ausgedehnten Gähnen an. Doch er wurde jäh unterbrochen, als erneutes Klopfen ertönte.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, murrte er. Schwerfällig stieg er von seinem Sessel auf und öffnete das Fenster. »Kommst du jetzt endlich rein, oder nicht?«
    Plim stemmte die Hände in die Hüften. »Kannst du mir vielleicht einmal verraten, wie ich das anstellen soll?« Sie deutete auf die Eingangstür. »Ich bin doch nicht von der Abrisstruppe.«
    Primus beugte sich vor und linste um die Hauswand. Die Eingangstür war von oben bis unten mit Brettern vernagelt. Das hatte er doch glatt vergessen. Schließlich war er bisher immer durchs Fenster geflogen und hatte kein einziges Mal auch nur daran gedacht, die Tür zu benutzen. Er segelte in den Garten und landete neben Miss Plim auf der Eingangstreppe.
    Kopfschüttelnd schaute Plim ihn an. »Wofür sind denn diese Bretter gut? Würde da nicht auch ein Vorhängeschloss reichen?«
    Primus trat vor die Tür und zerrte an den Brettern. »Hilf mir lieber«, sagte er.
    Mit vereinten Kräften legten sie die verrammelte Tür frei. Doch als sie fertig waren und alle Bretter auf dem Boden lagen, mussten sie feststellen, dass die Tür dennoch verschlossen war. Primus kratzte sich am Kopf. Er hatte keine Ahnung, wo der Schlüssel sein konnte, und rüttelte am Türknauf. Plim hingegen war völlig gelassen. Eine verschlossene Tür schien für sie überhaupt kein Problem zu sein. Sie wühlte in ihrer Handtasche, zog eine Haarnadel heraus und stocherte fachkundig im Schlüsselloch. Wenige

Weitere Kostenlose Bücher