Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
pfiff ihr der Wind um die Mütze.
»Wir sind gleich da!«, plärrte sie Primus ins Ohr. »Nur noch bis zum Ende des Waldes und dann ein kurzes Stück geradeaus.«
»Kannst du überhaupt noch etwas sehen?«, rief Primus.
» WAS IST ?«
» DEINE BRILLE !«, schrie er. »Du siehst doch gar nichts mehr, oder?!«
»Ach was«, lachte sie. »Alles bestens.«
Sie ließ den Motor aufheulen und drückte die Hupe. Dann gab sie Vollgas. Eine Spur flatternde Blätter hinter sich lassend, schossen sie im Sonnenschein über die Bäume.
Nach kurzer Zeit lichtete sich der Wald.
Die Bäume wurden weniger und ihre Äste zunehmend karger. Eine morastige Landschaft tauchte unter ihnen auf, durchzogen von stacheligen Büschen und blubbernden Tümpeln.
Sie hatten die Westlichen Sümpfe erreicht!
Primus hob den Kopf. Neugierig richtete er sich auf, um sich einen Eindruck von der Gegend zu verschaffen. Die Westlichen Sümpfe waren keineswegs so ebenerdig und flach, wie er gedacht hatte. Sie waren ein Gebiet aus Morast und kleinen buschigen Hügeln. Überall gab es Teiche, in denen braunes Wasser gluckerte, und ausladende Seen, umwachsen von Schilf. Die Luft roch nach Erde, Schlamm und feuchten Wurzeln. Auch schien es, als wäre es hier wärmer als über dem Wald. Er dachte an die mächtigen Bäume, die sie eben noch überflogen hatten, und schaute nach unten. Hier waren nur noch Stümpfe und morsche Baumgerippe zu sehen. Krumm und verrottet ragten sie aus dem Erdboden. Bei diesem Anblick fiel ihm wieder die Geschichte der alten Großmutter ein. Diese hatte mit ihrer Erzählung wahrlich nicht übertrieben. Selbst bei Tageslicht hatten die Bäume noch immer etwas Gespenstisches an sich. Wie mochten sie dann erst tief in der Nacht aussehen? Primus war nun vollkommen klar, weshalb sich die Leute von den Westlichen Sümpfen fernhielten. Hier war es wirklich alles andere als behaglich.
Wieder versuchte er den Bachlauf oder den geheimnisvollen Kieselpfad zu erspähen. Doch ohne Erfolg. Genau wie vorhin, so konnte Primus auch jetzt den Erdboden nur undeutlich wahrnehmen, geschweige denn absuchen. Es war wie verhext. Diesmal lag es jedoch nicht an Ästen oder Baumkronen, die ihm die Sicht versperrten, sondern an einem dichten, schummrigen Bodennebel, der schleichend aus den Sumpflöchern kroch.
Damit hatte Primus nun wirklich nicht gerechnet. Über ihnen lachte die Sonne vom Himmel und wenige Schritte unter ihnen dampfte der Sumpf. Das wird ja immer besser, dachte er.
Doch er sollte sogleich auf andere Gedanken kommen. Denn schon im nächsten Moment brüllte ihm Plim wieder ins Ohr.
» DAHINTEN IST SIE !«
Primus zuckte zusammen.
»Was ist?«, rief er.
»Die Hütte!«, schrie Plim. »Siehst du sie?«
Sofort schaute Primus nach vorne.
»Tatsächlich«, hauchte er.
In einiger Entfernung tauchte aus dem Dunst eine dunkle Baracke auf, mit löchrigen Schindeln und leeren Fenstern. Klein und schief stand sie da, als würde sie jeden Moment zusammenfallen.
Mehr konnte Primus nicht erkennen.
Er wollte gerade etwas zum Besten geben, als der Rennbesen mit einem lauten Knall zu stottern begann. Eine stinkende Rauchwolke schoss aus dem Auspuff und zusehends sackten sie ab.
»Schlabberschleim und Warzenwurm«, schimpfte Plim. »Nicht schon wieder.«
»Was soll denn das heißen?«, rief Primus.
»Ach, gar nichts. Das muss an der Gegend hier liegen. Letztes Mal war es genauso.« Sie biss die Zähne zusammen. »Jetzt gut festhalten«, schrie sie, »ganz besonders meine Handtasche!«
Dann machte der Rennbesen einen gewaltigen Satz nach vorne.
Es gab einen Ruck, dass Primus beinahe vom Lenker gefallen wäre. Wie der Blitz schoss der Besen geradeaus und mit einer pechschwarzen Rauchfahne quer durch die Sümpfe. Der Besen raste im Zickzack nach links, dann nach rechts und anschließend senkrecht in den stahlblauen Himmel hinauf.
Plim zog den Kopf ein. Keuchend hing sie über dem Lenker, während ihr Primus mit ausgestreckten Flügeln mitten im Gesicht klebte. An seinen Krallen hing noch immer ihre Handtasche.
»Geh da weg«, kreischte Plim, »ich kann ja gar nichts mehr sehen.«
»Ja, denkst du vielleicht, ich mache das mit Absicht?!« Der Fahrtwind war so stark, dass er sich nicht einmal mehr bewegen konnte.
Plim fauchte. Sie rüttelte den Besen und riss den Lenker herum. Sofort ging es wieder nach unten.
Mit lautem Geheul sauste der Besen im Sturzflug vom Himmel. Primus riss die Augen auf. Der Kiefer klappte ihm runter, als er sah, wie
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