Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
vor ihm einen scharfen Knick, wurde breiter und führte anschließend etwa eine Schrittlänge weit senkrecht nach oben. Von dort schien das Tageslicht herunter.
Er überlegte. Das war ja alles schön und gut, doch bei genauerer Betrachtung stand er nun vor einem weiteren Problem. Wie sollte er bloß da hinaufkommen? Es gab keinen Versatz und schon gar keine Kerben, in denen er sich hätte festhalten können. Das Rohr war genauso glatt wie in der Eiche beim Turm.
So wie es schien, blieb ihm nichts anderes übrig – hier war Kondition gefragt.
Mit einem mächtigen Satz sprang er hinauf, strampelte wie wild und schaffte es sogar bis ins obere Drittel. Dann aber rutschte er bäuchlings das Rohr wieder herunter.
Akkurat, wie er war, verzeichnete er Fehlschlag Nummer eins.
Doch er gab nicht auf.
»Das muss doch zu schaffen sein«, knirschte er. »Vielleicht lag es ja nur an der Technik …«
Beim nächsten Versuch ging er daher ein wenig waghalsiger vor. Er streckte während des Sprungs die Beine aus und presste sich mit dem Rücken gegen das Rohr. Erstaunlicherweise konnte er sich sogar einige Sekunden lang halten, doch weiter kam er nicht. Schon beim ersten Ansatz, sich nach oben zu hangeln, rutschte er ab und kullerte das ganze Stück wieder nach unten.
Nun war er außer Puste.
Ächzend krabbelte er, so weit es ging, unter die Öffnung und blickte hinauf. Vielleicht war ja jemand in der Nähe, der ihn herausziehen konnte.
»Hhh…llo«, röchelte er. Sein Schnabel war völlig verstaubt. Er hustete, bevor er lauthals zu rufen begann:
»Hallo! Hört mich jemand?!«
Doch es kam keine Antwort.
Wo war er hier bloß gelandet? Ratlos schielte Bucklewhee nach oben und versuchte etwas von der Umgebung zu erkennen. Er sah Holzbalken und das Stück einer Hauswand. Die Postleitung schien offenbar unter einer Art Vordach zu enden.
» HE , IHR DA OBEN «, trommelte er, » ICH WILL HIER RAUS !«
Aber wieder waren seine Rufe erfolglos.
Erschöpft legte er sich nun in die Rohrbiegung. Musste er jetzt etwa den ganzen Weg wieder zurücklaufen? Was für ein Albtraum. Er vergrub den Kopf zwischen den Flügelknochen und schloss seine Augen. In diesem Fall könnte er das aber auch ruhig nach einem kurzen Nickerchen machen. Denn ob er nun bei Tag oder Nacht durch die Rohrleitung tappte, machte keinen Unterschied.
Und er schlief ein.
Dichter und dichter wurde der Nebel, als Primus und Plim durch die Sümpfe stapften. Vom anfänglich noch blauen Himmel war mittlerweile kaum noch etwas zu erkennen. Undeutlich und matt zeichnete sich dieser hinter den gespenstischen Schwaden ab, welche Primus und Plim nun schon seit Stunden umgaben. Beide zweifelten, ob das alles mit rechten Dingen zugehen konnte. Fast schien es ihnen, als würde der Nebel wie von Geisterhand mit ihnen ziehen, sie mit aller Kraft einwickeln und ihnen absichtlich die Sicht versperren.
Primus ging wachsam voran. Kritisch blickte er durch den zähen Dunst und betrachtete den Boden unter seinen Füßen. Bereits seit längerem hatte er ein seltsames Gefühl, das er einfach nicht mehr loswurde. Er konnte es nicht beschwören, aber irgendwie hatte er den Eindruck, als würden sie die ganze Zeit über beobachtet werden. Es war merkwürdig. Immer wieder sah er aus dem Augenwinkel heraus ein Gesicht in den Schwaden, welches sie anstarrte und ihnen regungslos nachblickte. Manchmal, so war es ihm, spürte er sogar einen Atem im Nacken – leicht und kaum merklich. Sobald er jedoch den Kopf herumdrehte und in die jeweilige Richtung blickte, war die Erscheinung plötzlich wieder verschwunden. Unheimlich! Bald wusste er überhaupt nicht mehr, ob er sich all diese Dinge nur einbildete oder ob irgendjemand tatsächlich einen ganz üblen Streich mit ihnen spielte.
Aufmerksam lauschend ging Plim neben ihm her. Eine verdächtige Stille lag über den Sümpfen. Kein Grashalm bog sich in der Luft und auch das Rauschen des Windes war wie verstummt. Nur hin und wieder vernahm sie das Quaken einer Kröte oder das Blubbern des Wassers. Die Ruhe war bedrückend. Einzig ihre Schritte waren weit über die Gewässer hinaus zu hören. So wanderten sie nun immer tiefer in die Westlichen Sümpfe hinein, nicht wissend, was sie darin noch alles erwartete.
Vorsichtig tastete Primus mit seinen Füßen den Boden ab. Zwar wirkte die Erde an den meisten Stellen trocken und fest, doch verlassen konnten sie sich darauf leider nicht. Allzu trügerisch war der Schein und jeder Fehltritt konnte fatale
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