Das unsagbar Gute
Manfredo die Flügel von innen aufstieß. Dr. Nowak setzte den Wagen rückwärts in die Garage und stieg aus. »Und jetzt?«, fragte er.
»Wir schaffen die Verstorbenen ins Haus, was sonst?«
Ja, richtig. Manfredo hatte das Tor ja von innen geöffnet. Dr. Nowak sah den Lichtschein durch eine offene Tür im hinteren Teil des Schuppens.
»Genial!«, schimpfte er. »Wir hätten also die Oma ganz bequem hier drin verstauen können – stattdessen laden wir sie vor dem Haus ins Auto, auf freiem Feld, damit ja jeder zugucken kann …«
»Es war eh keiner da. Mir ist das mit dem Schuppen erst nach dem Unfall eingefallen. Ich bin ja nicht so oft hier …«
»Das hat alles keinen Plan, was wir hier machen, das ist nicht einmal Improvisation!«
»Bitte, bitte, reg dich wieder ab! Es tut mir ja selber leid. Sei lieber froh, dass ich noch draufgekommen bin. So können wir beim nächsten Mal das Risiko minimieren …«
»Können wir eben nicht! Schau dir das Auto an!«
Der A 3 zeigte in der Frontpartie Aufprallspuren einer Größe, die jedem auch nur absichtslos umherblickenden Exekutivorgan ins Auge springen mussten. »Mit dem Auto können wir nicht mehr auf die Straße. Das muss erst repariert werden.«
»Ich kenn da auch jemanden, der macht das schwarz und stellt keine Fragen …«
»Ja, das glaub ich gern, dass du so jemanden kennst! Er stellt keine Fragen? Mag sein. Aber er gibt Antworten, wenn er selber gefragt wird. Von der Polizei zum Beispiel. Und dann? Sind wir am Arsch!«
»Ich dachte nur …«
»Nein, du hast dir gar nichts gedacht. Das ist ja das Problem. Wir gehen zu der Werkstatt, wo du den Service machen lässt, alles ganz offiziell …«
»Opel Berger. Und was sagen wir denen?«
»Dass du einer Katze ausgewichen und gegen einen Baum gefahren bist …«
»Bin ich doch gar nicht! Gefahren, meine ich. Und gegen einen Baum auch nicht …«
»Doch, bist du!«
Manfredo begann zu begreifen. »Ich soll also …«
»Genau. Und zwar jetzt gleich.«
Manfredo schnappte nach Luft. »Das schöne Auto … ich kann das nicht!«
»Es geht nicht anders!«
»Dann mach du das!« Dr. Nowak seufzte. »Also gut. Zuvor laden wir aber noch die Kofferraumpassagiere aus.«
Die Frau Leupold kam in ihr angestammtes Tiefkühldomizil, das unbekannte Unfallopfer ließen sie auf dem Boden der Behelfsgarage liegen; einen Transport innerhalb des Hauses hätten ihre Kräfte auch nicht mehr zugelassen. Alles Weitere verlief schnell und ohne Komplikationen. Dr. Nowak suchte in gehöriger Distanz zum Unfallort einen der Bäume auf der Zufahrtsstraße aus und fuhr mit kurzem Anlauf und geringer Geschwindigkeit dagegen. Stoßstange und Frontpartie zeigten unfalltypische Schäden. Sie stellten das Auto in den Schuppen und widmeten sich dem Unbekannten auf dem Zementboden. Sie hatten ihn auf den Rücken gelegt, so kam man besser an seine Taschen.
Der Mann war Ende vierzig oder Anfang fünfzig, schlank, fast hager. Dunkelblondes, straff zurückgekämmtes Haar, ebenmäßiges Gesicht ohne Merkmale. So wohlproportioniert, dass man sich kein Detail merken konnte. Das Gesicht als Ganzes konnte man sich auch nicht merken. Es sah ein bisschen langweilig aus. Früher hätte man gesagt: gewöhnlich. Der Mann trug unauffällige Freizeitkleidung. Sportschuhe, Jeans, eine dunkelblaue Kapuzenjacke. In seiner Brieftasche steckten zwei Zwanziger, ein Zehner und etwas Hartgeld, eine Bankomat-, zwei Kreditkarten und ein Leseausweis der Landesbibliothek. Der Führerschein lautete auf David Guttmann, die beigefügte Zulassung auf einen Opel Astra. Schlüsselbund. Außerdem ein Bündel Visitenkarten in geschmackvoll zurückhaltender Gestaltung, die Dr. Nowak dem Toten nach seiner äußeren Erscheinung nicht zugetraut hätte. David Guttmann – Private Ermittlungen stand dort, darunter Mobiltelefonnummer und Mailadresse.
»Ein Schnüffler«, sagte Manfredo. »Was hat der dort gewollt?«
»Na was wohl? Beobachten natürlich …«
»Etwa uns?«
»Tut mir leid, dass ich das sagen muss – aber manchmal bist du wirklich schwer von Begriff. Wen soll er denn sonst bespitzeln von der Stelle aus?«
»Und wer hat ihn beauftragt?«
»Keine Ahnung. Vielleicht deine Exfrau, weil du immer so im Rückstand bis mit dem Unterhalt …«
»Das ist Blödsinn, ich war nie verheiratet … ach, hör doch auf!« Manfredo merkte erst jetzt, dass sich Nowak über ihn lustig machte. Dr. Nowak fing an zu lachen, Manfredo fiel ein, das
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