Das unsagbar Gute
ganz eindeutig umgekippt. Er kannte solche Leute, in seinem beruflichen Umfeld kamen sie gehäuft vor. Leute, die sozusagen auf der Kippe standen. Manchmal fielen sie runter, und dann gab es kein Halten mehr. Das Problem hier war, dass dieser Mensch mit dem Hammer nichts von der Gefahr des Runterfallens wusste. Die Fragen nach Bindls Umfeld waren irreal, er hatte keine Ahnung, worauf er sich da einließ, außerdem schien er anzunehmen, er komme durch mit dieser Nummer. Glaubte der, er, Charly Korak, würde sich das einfach so gefallen lassen?
»Damit Sie sich nicht in irrealen Zukunftsvisionen verlieren«, fügte Dr. Nowak einen Nachsatz hinzu, »nein: Sie werden das hier nicht überleben. Machen Sie sich keine Illusionen. Sie haben nur die Wahl zwischen zwei Arten des Abgangs. Eine vermittels einer Substanz, die Ihnen die Sinne raubt – und die andere.« Dr. Nowak klopfte mit dem Hammerstiel.
Charly erzählte alles, was er über Bindls Verhältnisse wusste. Die Wohn- wie die privaten Umstände. Dr. Nowak brauchtenicht mehr zu klopfen, von Schlimmerem zu schweigen. Nach langer Redezeit fragte Charly, ob er eine Frage stellen dürfe. Dr. Nowak erlaubte es.
»Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ich unbewaffnet bin?«
Dr. Nowak nickte. Charly fühlte sich ermuntert. Hoffnung begann zu keimen.
»Das ist ungewöhnlich, oder nicht? Man sollte doch annehmen, ein Killer hat irgendwas zum Killen bei sich. Und wenn er schon am hellen Tag einen Besuch macht, dann doch wohl eher in einer Verkleidung, in einer Uniform. Als Paketbote oder so. Ich aber habe meine Privatsachen an. Gut, die Jeans sagen nicht viel, Jeans hat jeder, aber die Jacke! Die hab ich schon seit zwanzig Jahren … Sie können jeden in Wien fragen. Wenn mich einer beschreiben soll, dann sagt er: Das ist der Charly mit der schiachen Lederjacke!«
Die schwarze Jacke sah wirklich abgewetzt aus, besonders an den Ellbogen.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Dr. Nowak.
»Wenn jemand einen Mord begehen will oder halt nur irgendwas Ungesetzliches, dann schaut er doch, dass er nicht erkannt wird. Dann zieht er sich doch nicht extra so an, dass er leicht identifiziert wird!«
Dr. Nowak betrachtete den Gefangenen und sagte nichts. Charly sagte auch nichts. Dann sagte Dr. Nowak: »Das klänge alles ganz gut, wenn Sie kein Amphetamin-Junkie wären …«
»Was? Amphetamine? Speed und so Zeug? Bitte, verstehen Sie doch: Wir verteilen das Zeug, also ich zumindest … ach was, das ist kompliziert, es stimmt schon, es gibt da einige … aber wie kommen Sie auf die Idee?«
Dr. Nowak holte den Inhalator aus seiner Jackentasche.
»Der ist fürs Asthma.«
»Sie haben Asthma?«
»Schon lang …« Charly blickte zu Boden. Dr. Nowak las dieAufschrift auf dem Einsatz. Die Lösung enthielt Fenoterol. Ein Beta-2-Sympathomimetikum, die übliche Bedarfsmedikation. Das konnte natürlich alles getürkt sein. Andererseits: Warum sollte ein Mensch wie dieser Korak sich die Mühe machen, sein Speed in einem Asthmainhalator zu tarnen? Wegen der Polizeikontrollen. Nun ja, wenn das eine Rolle spielte, wäre es dann nicht vernünftiger, das Zeug als unauffälliges Pülverchen einzunehmen wie die anderen Drogenabhängigen? Woher hatte er überhaupt die Idee, Amphetamine würden mit einem Apparat inhaliert? Irgendwo gelesen? Er kam nicht drauf.
Dr. Nowak stand vor einer unangenehmen Erkenntnis. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in dem Ding Fenoterol befand und nicht Pervitin, war hoch. Er hatte sich von den Umständen beeinflussen lassen. Er hatte einen Schläger erwartet und schon vorher mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet, ohne ihn je gesehen zu haben. Mit sehr negativen Eigenschaften. Die hatte dieser Korak auch, da war sich Dr. Nowak sicher. Nur die Eigenschaft, an Asthma zu leiden, war nicht auf der Liste gestanden. Und wie war jetzt die Rede auf den Inhalator gekommen? Ach ja, im Zusammenhang mit der fehlenden Bewaffnung … die Sache wurde unangenehm. Vor Dr. Nowaks geistigem Auge tauchte in Riesenbuchstaben das Wort »Arschloch« auf. Er wusste, wer damit gemeint war.
»Was wollten Sie denn dann?«, fragte er. »Wenn Sie schon behaupten, uns nicht malträtieren zu wollen, Manfredo und mich …«
»Ich hatte den Auftrag von Bindl, die Sache zu bereinigen, da haben Sie recht. Nur weiß Bindl nicht alles …«
»Was ist denn hier los?«
Manfredo war eingetreten. »Um Gottes willen, Charly, was ist denn mit dir?« Manfredo stürzte auf den am Boden
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