Das unsagbar Gute
Liegenden zu, half ihm, sich aufzusetzen.
»Du kennst den?«, fragte Dr. Nowak.
»Natürlich. Was glaubst du denn, wer mir das Zeug in Wien abnimmt?«
Dr. Nowak ließ den Hammer fallen, Gepolter auf dem Dielenboden.
»Der ist ja gefesselt!« Manfredo hatte die Kabelbinder entdeckt. Er brachte sie nicht auf, dazu brauchte man ein Messer. »Hat er …?«
Charly nickte. Manfredo stand auf. »Wieso hast du ihn gefesselt?«
»Er wollte uns umbringen.«
»Ist nicht wahr!«, rief Charly.
»Komm mit«, sagte Dr. Nowak und verschwand im hinteren Teil des Hauses.
»Ich komm gleich wieder und mach dich los«, sagte Manfredo. »Es wird sich alles klären.« Dann ging er dem Chemiker nach. Charly ließ den Oberkörper wieder auf den Boden gleiten, so dass er auf die linke Seite zu liegen kam. Das war auch nicht bequem, aber gewisse Muskelpartien konnten sich entspannen. Alles würde sich aufklären, hatte Manfredo gesagt. Manfredo würde eine Schere mitbringen oder ein Messer und die Kabelbinder durchschneiden. Dann würde Charly seine Hand- und Fußgelenke massieren und den verlegen herumstehenden Chemiker nicht aus den Augen lassen, aber so, dass der das nicht merkte. Manfredo auch nicht. Denn dann, nach einer gewissen Zeit, wenn die Blutzirkulation in den Gelenken wieder in Gang gekommen wäre, würde er anfangen, den Chemiker zu verprügeln. Methodisch. Mit diesem Plastikhammer. Er würde ihn totschlagen, ganz einfach. Das war nicht das, was er vorgehabt hatte, es war nur das, was Bindl von ihm erwartete. Das war seltsam: Jetzt würde er genau das tun, was Bindl ihm aufgetragen hatte, was er aber auf keinen Fall hatte tun wollen. Vorgehabt hatte er, Manfredo auf ein anderes Absatzfeld zu führen, nach Süddeutschland oder in die Ostschweiz,er hatte da schon ein paar Kontakte geknüpft. In Wien ging es nicht mehr. Er wunderte sich im Nachhinein, wie lang das gutgegangen war, andererseits: Bindl war ein paranoider Idiot, das heißt, er war paranoid und ein Idiot. Überall witterte er irreale Verschwörungen, während er ganz real nach Strich und Faden beschissen wurde. Ein Teil des Geschäfts ging am großen Bindl einfach vorbei. Und er merkte es nicht. Andere hatten es schon gemerkt. Nicht alle waren paranoide Idioten. Der Weber-Toni zum Beispiel. Der fiel ihm jetzt ein, obwohl das schon Jahre zurücklag …
*
»Bist du denn völlig übergeschnappt!«, schrie Manfredo. »Mit einem Schocker? Du hast Charly Korak mit einem Schocker außer Gefecht gesetzt?«
»Ja, hab ich. Jetzt reg dich wieder ab. Ich hatte ja keine Ahnung, wer das ist … du hast nichts gesagt.«
»Weil das ein Bereich ist, der dich überhaupt nicht berührt, Charly gehört zum Absatz, du bist für die Produktion …«
Jetzt brüllte Dr. Nowak.
»Mich nicht berührt?! Ach so? Was ist denn das hier? Ein Großkonzern oder was! Mach dich doch nicht lächerlich. Du hättest es mir sagen müssen!«
»Ich hatte doch keine Ahnung, dass der Bindl ausgerechnet ihn herschickt. Ich hab gedacht, Charly hält sich bedeckt, so ist die Regel. Keiner macht einen Mucks, keiner macht auf sich aufmerksam, keiner mischt sich ein, ich mich nicht in seine Sachen, er nicht in meine. Jeder löst seine eigenen Probleme, verstehst du?«
Dr. Nowak sagte nicht. Er schenkte sich einen Kognak ein.
»Dir sollte doch klar sein«, setzte Manfredo fort, »dass ichin Wien eine Verteilerorganisation brauche – oder hast du geglaubt, ich lauf selber herum und verhökere das Zeug in Briefchen?«
»Ich habe gar nichts geglaubt«, sagte Dr. Nowak. Er dachte an den immer noch gefesselten Charly Korak. Gefesselt musste er bleiben. Sonst würde er mit Romuald Nowak schreckliche Dinge anstellen.
»Das war doch überhaupt alles Charlys Idee«, sagte Manfredo. »Wir haben uns kennengelernt … er hat von Oma erfahren, und dass uns das Wasser bis zum Hals steht, und gesagt, da könne er vielleicht helfen, wenn Oma die Synthese hinkriegt, dann hat sie angefangen, es zu probieren, Charly hat den Stoff geprüft und war begeistert …«
Dr. Nowak hörte nicht mehr zu. Der Gründungsmythos der Leupold-Korak Ges.m.b.H., seit vielen Jahren erfolgreich im Amphetamingeschäft tätig, interessierte ihn nicht. Natürlich: Er hätte früher danach fragen sollen. Wer verteilt das Zeug, wer steckt da noch mit drin, wie ist es mit der Konkurrenz? Aber das hatte er nicht getan. Fragen. Weil er nichts davon wissen wollte, gar nichts. Wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Auf diese
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