Das Unsterblichkeitsprinzip
berührte. »Sie sind ein wahrer Schatz, Mr. Data. Und Sie können gut mit Worten umgehen.«
Data antwortete nicht sofort, denn es hatte ihm die Sprache verschlagen. Andere Personen stellten nur selten einen physischen Kontakt mit ihm her und er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Rheas Geste führte zu besonderer Verwirrung, denn sie war weder eindeutig kokett noch rein platonisch. Data öffnete seine Verhaltensdateien, fand in ihnen aber kaum etwas Nützliches. Er beschloss, zunächst nur zu beobachten und die gesammelten Daten später auszuwerten.
Wenige Millisekunden nach dieser Entscheidung spürte er angenehme Wärme, die von der Stelle ausging, an der Rhea ihn berührt hatte. Sie breitete sich aus, wuchs durch Datas neurales Netz. Einmal mehr stellte der Androide fest, dass seine emotionalen Reaktionen immer etwas später einsetzten als die intellektuellen.
Er trank einen Schluck vom Cabernet und der Geschmack gefiel ihm. Rhea kehrte ins Esszimmer zurück, um den dortigen Stand der Dinge zu überprüfen, und Data folgte ihr.
»Was essen wir, wenn kein Fisch auf den Tisch kommt?«
»Zuerst hatte ich vor, echtes Sukijaki zuzubereiten, denn repliziertes Rindfleisch ist ziemlich gut; und im Arboretum wachsen Schalotten. Aber dann dachte ich daran, dass Sie vielleicht Vegetarier sind. Sind Sie’s?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Data.
»Nun«, sagte Rhea und überprüfte zwei Töpfe auf einem kleinen Kochgerät, »heute Abend bekommen Sie vegetarische Kost. Fettucini mit Marinarasoße und Pilzsalat. Ich dachte, damit kann nichts schief gehen.« Sie rührte die Soße um, öffnete zwei Nudelpackungen und gab ihren Inhalt ins kochende Wasser. »In Ordnung, ich habe genug geredet. Jetzt koche ich und Sie übernehmen die Konversation.«
»Was möchten Sie von mir hören?«
»Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter«, sagte Rhea und öffnete eine Schranktür. »Wie war sie?«
Data nahm auf einem der beiden Metallstühle Platz, die vor der Anrichte standen, und stützte das Weinglas aufs Knie. »Ich kannte sie nicht sehr gut«, sagte er. »Erst vor vier Jahren begegneten wir uns zum ersten Mal und seit jener ersten Begegnung sahen wir uns nur einige wenige Male.« Er zögerte und versuchte, die wichtigsten Dinge zusammenzufassen. »Sie war eine ausgezeichnete Wissenschaftlerin. Sie kochte nicht gern, brachte die Dinge hinterher aber gern in Ordnung. Ihre meisten Ohrringe waren grün, denn sie meinte, dass diese Farbe gut zu ihrem Haar passte. Sie hätte gern die Töpferei erlernt, fand jedoch nie Zeit dazu…«
Rhea hatte die Suche nach einem Sieb in den Schränken aufgegeben und hörte aufmerksam zu. »Und sonst?«, fragte sie.
Data neigte das Glas von einer Seite zur anderen und fand Gefallen daran, wie die rubinrote Flüssigkeit das Licht reflektierte. Nach einer Zeitspanne, die ihm ziemlich lang erschien, sagte er schließlich: »Vielleicht hätte sie die Töpferei erlernt, wenn ihr klar gewesen wäre, dass sie ein Androide ist.«
Er hob die Hand, tastete mit den Fingerspitzen nach den Augen und fühlte Feuchtigkeit. »Dieses Gefühls könnte ich schon sehr bald überdrüssig werden.«
»Welches Gefühl meinen Sie?«, fragte Rhea sanft.
Data trank einen Schluck Wein und zog die Möglichkeit in Erwägung, das Thema zu wechseln. Er wusste, dass so etwas durchaus akzeptabel war, aber unerklärlicherweise beschloss er, die Frage zu beantworten. »Ich kann es noch nicht genau identifizieren«, sagte er schließlich. »Es hat etwas mit Bedauern zu tun, das nicht mich selbst oder mein Leben betrifft, sondern die Gelegenheit, die sie nicht nutzen konnten.« Er erklärte nicht, wer »sie« waren, aber Rhea schien zu wissen, wen er meinte: Lore, Lal, die drei namenlosen Androiden und auch Juliana Tainer, die – nach Dr. Soongs Maßstäben – ein langes, erfülltes Leben gelebt hatte. »Die häufigen Veränderungen in meinem emotionalen Status sind strapaziös. Ich habe mit bloßen Händen gegen Borg-Drohnen gekämpft, ohne mich so mitgenommen zu fühlen.«
Rhea streckte die Hand aus, um ihn erneut zu berühren, doch dann kochte das Wasser über; sie musste die Hitze reduzieren und dadurch ging der besondere Moment vorbei. Sie rührte erneut die Soße um. »Wissen Sie, einer der wichtigsten Ratschläge, die mir meine Mutter gab, lautete: Man kann nicht gegen das Leben ankämpfen. Nun, sie sprach nicht vom Leben, sondern vom Meer, aber diese beiden Begriffe
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