Das Unsterblichkeitsprogramm
gab.
Watanabe grinste mich nur hinter seiner Pfeife an. »Ich soll dir einen Rat geben?«, fragte er. »Ich soll dich an meiner Weisheit teilhaben lassen, die mich schließlich an diesen Ort gebracht hat?«
Wir beide blickten uns in der kleinen Bar und in den Feldern jenseits des Decks um.
»Nun… äh… ja.«
»Nun… äh… nein«, sagte er mit Nachdruck und widmete sich wieder seiner Pfeife.
»Kovacs?«
Ich blinzelte und sah, dass Ortega vor mir stand und mir interessiert in die Augen schaute.
»Wollten Sie mir etwas mitteilen?«
Ich lächelte matt und sah mich in der Küche mit den glänzenden Stahlschränken um. »Nein, eigentlich nicht.«
»Hier gibt es sehr gutes Essen«, sagte sie. Offenbar hatte sie meinen Blick missverstanden.
»Dann sollten wir schnell davon probieren.«
Sie führte mich durch den Dampf auf eine Rampe zum Restaurant. Der Fliegende Fisch war nach Ortegas Angaben ein außer Dienst gestelltes Minensuchluftschiff, das von irgendeinem ozeanografischen Institut aufgekauft worden war. Das Institut war inzwischen entweder geschlossen oder umgezogen, und die Gebäude an der Bucht waren völlig ausgeräumt worden. Doch jemand hatte den Fliegenden Fisch umgebaut, ein Restaurant darin eingerichtet und ihn fünfhundert Meter über den zerfallenden Institutsgebäuden angeleint. In regelmäßigen Abständen wurde das Fluggefährt langsam eingeholt, damit die gesättigten Gäste wieder den Erdboden betreten und neue aufgenommen werden konnten. Die Warteschlange führte um zwei Wände des Dockhangars herum, als wir eintrafen, doch Ortega sorgte mit ihrer Marke dafür, dass wir als Erste an Bord gehen konnten, nachdem sich das Luftschiff durch das offene Dach des Hangars herabgesenkt hatte.
Ich nahm im Schneidersitz auf einem Kissen Platz, vor einem Tisch, der durch eine Metallstrebe an der Hülle des Luftschiffs befestigt war und somit den Boden überhaupt nicht berührte. Das Deck selbst war durch den schwachen Schimmer eines Kraftfeldes abgeriegelt, der die kühle Luft und den böigen Wind auf angenehme Werte milderte. Der Boden aus sechseckigem Gitter gestattete mir einen fast ungehinderten Blick an den Kissen vorbei auf das Meer, das einen halben Kilometer unter uns lag. Ich rutschte unbehaglich hin und her. Große Höhen waren noch nie meine Stärke gewesen.
»Damit hat man unter anderem Wale beobachtet«, sagte Ortega und zeigte auf die seitliche Wand. »Damals, als Einrichtungen wie diese sich noch keine Satellitenzeit leisten konnten. Natürlich waren die Wale seit dem Tag des Verstehens plötzlich ein Riesengeschäft für all die Leute geworden, die mit ihnen reden konnten. Sie haben uns fast genauso viel über die Marsianer erzählt, wie die Archäologen in vier Jahrhunderten auf dem Mars herausgefunden haben. Man muss sich mal vorstellen, dass sie sich daran erinnern, wie sie zur Erde gekommen sind. Natürlich nur mit dem kollektiven Gedächtnis.«
Sie hielt kurz inne. »Ich wurde am Tag des Verstehens geboren«, fügte sie unvermittelt hinzu.
»Wirklich?«
»Ja. Am neunten Januar. Meine Eltern nannten mich Kristin nach einer Walforscherin aus Australien, die im ersten Übersetzerteam mitarbeitete.«
»Nett.«
Dann fiel ihr wieder ein, mit wem sie sich unterhielt. Sie tat es mit einem abrupten Achselzucken ab. »Als Kind sieht man so etwas anders. Ich wollte immer Maria heißen.«
»Kommen Sie oft hierher?«
»Nicht sehr oft. Aber ich dachte mir, jemandem von Harlans Welt könnte es hier gefallen.«
»Eine gute Idee.«
Ein Kellner kam und gravierte mit einem Holostift die Speisekarte zwischen uns in die Luft. Ich warf nur einen kurzen Blick auf die Liste und entschied mich für irgendein Ramen. Vegetarisch.
»Eine gute Wahl«, sagte Ortega und nickte dem Kellner zu. »Ich nehme dasselbe. Und einen Saft. Wollen Sie auch etwas trinken?«
»Wasser.«
Die Speisekarte hob unsere Bestellungen rosa hervor und verschwand dann. Der Kellner steckte den Holostift mit einer flotten Handbewegung in eine Brusttasche und zog sich zurück. Ortega blickte sich um und suchte nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
»Und… gibt es auch in Millsport solche Restaurants?«
»Ja, aber nur auf dem Boden. Wir halten nicht allzu viel vom Fliegen.«
»Nein?« Sie hob wie gewohnt die Augenbraue. »Millsport ist doch ein Archipel, oder? Ich hätte gedacht, Luftschiffe wären…«
»Eine offensichtliche Lösung für die Grundstücksknappheit? Im Prinzip ja, aber ich glaube, Sie vergessen
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