Das Unsterblichkeitsprogramm
sehr geschickt.«
Wir kamen ans Ende der Gangway und traten auf ein windiges Deck. Links und rechts von uns wölbten sich die Abdeckungen zweier Frachtzellen hüfthoch auf, wie zwei gewaltige Brandblasen in der Haut des Schiffes. Hinter der Schwellung am Heck ragte die blinde Brücke in den Himmel, scheinbar ohne Verbindung mit dem Rumpf, auf dem wir standen. Die einzige Bewegung kam von den Ketten eines Ladekrans, den der Wind in heftige Schwingungen versetzte.
»Als ich das letzte Mal hier war«, sagte Ortega mit erhöhter Lautstärke, um sich gegen den Wind durchzusetzen, »ging es um einen bescheuerten Reporter von WorldWeb One, den sie während eines Titelkampfs mit Aufzeichnungsimplantaten erwischt hatten. Sie haben ihn einfach in die Bay geworfen. Nachdem sie die Implantate mit einer Zange entfernt hatten.«
»Nett.«
»Wie ich schon sagte, dieser Veranstaltungsort hat Klasse.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich auf diese exorbitanten Komplimente reagieren soll, Lieutenant.«
Die Stimme hustete aus verrostet wirkenden Lautsprechern, die an zwei Meter hohen Stangen an der Reling befestigt waren. Meine Hand lag sofort am Griff der Nemex, und mein Sichtfeld erweiterte sich auf Peripheriemodus, mit einer Geschwindigkeit, die schmerzhaft war. Ortega bedachte mich mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln und blickte dann zur Brücke hinauf. Wir koordinierten uns unbewusst und scannten die Aufbauten in entgegengesetzten Richtungen nach Anzeichen für Bewegungen ab. In der Anspannung spürte ich einen warmen Schauder über diese unbeabsichtigte Symmetrie.
»Nein, nein, hier drüben«, sagte die metallische Stimme, die diesmal von den Lautsprechern am Heck kam. Dann sah ich, wie sich die Kette an einem der hinteren Ladekräne knarrend in Bewegung setzte – wahrscheinlich, um etwas aus der offenen Zelle vor der Brücke nach oben zu hieven. Ich ließ die Hand auf der Nemex liegen. Am Himmel brach die Sonne durch die Wolkendecke.
Die Kette endete in einem schweren Eisenhaken, auf dem der Sprecher stand. In der einen Hand hatte er ein prähistorisches Mikrofon, mit der anderen hielt er lässig die Kette umfasst. Er trug einen in dieser Situation völlig unpassend wirkenden grauen Anzug, der im Wind flatterte, während er in gewagter Schräglage in der Luft hing und sein Haar in den vorüberziehenden Sonnenstrahlen glänzte. Ich kniff die Augen zusammen, um meinen Verdacht zu bestätigen. Ein billiger synthetischer Sleeve.
Der Kran drehte sich über die gewölbte Abdeckung der Frachtzelle, wo der Synth mit einem eleganten Sprung landete und auf uns herabblickte.
»Elias Ryker«, sagte er mit einer Stimme, die wesentlich weicher als aus den Lautsprechern klang. Hier hatte jemand äußerst schlampige Arbeit an den Stimmbändern geleistet. Er schüttelte den Kopf. »Wir dachten, wir würden Sie nie wiedersehen. Leidet die Legislative unter Gedächtnisschwund?«
»Carnage?« Ortega hob die Hand, weil sie im plötzlichen Sonnenlicht kaum noch etwas erkennen konnte. »Sind Sie das?«
Der Synth verbeugte sich leicht und steckte das Mikro in eine Jackentasche. Dann lief er über die Abdeckung auf uns zu.
»Emcee Carnage, stets zu Ihren Diensten. Welche Ungesetzlichkeit wird uns nun schon wieder zu Lasten gelegt?«
Ich sagte nichts. Es klang danach, dass ich diesen Carnage hätte kennen müssen, und im Augenblick hatte ich nichts weiter in der Hand. Ich erinnerte mich daran, was Ortega mir gesagt hatte, und fixierte den Synth mit leerem Blick, in der Hoffnung, genügend Ryker-Ähnlichkeit zustande zu bringen.
Carnage erreichte den Rand der Frachtzelle und sprang herunter. Aus der Nähe sah ich, dass nicht nur seine Stimmbänder billig gearbeitet waren. Der Unterschied zum Körper, den Trepp benutzt hatte, war wie Tag und Nacht, sodass er kaum denselben Namen verdiente. Ich überlegte kurz, ob es sich vielleicht um eine Art Antiquität handelte. Das schwarze Haar war grob und wirkte wie emailliert, das Gesicht bestand aus schlaffer Silikohaut, die blauen Augen hoben sich wie kleine Logos vom Weiß ab. Der Körper machte einen soliden, wenn auch etwas zu soliden Eindruck, und mit den Armen stimmte etwas nicht. Ihre Bewegungen erinnerten eher an Schlangen als an Gliedmaßen. Die Hände am Ende der Ärmel waren glatt und faltenlos. Der Synth streckte eine Handfläche aus, als sollten wir sie begutachten.
»Nun?«, fragte er freundlich.
»Eine Routineüberprüfung, Carnage«, sagte Ortega und half mir aus der
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